Big Dog’s Backyard Ultra

Big Dogs Backyard Ultra: World Championships 2020 © xc-run.de

Basilia Förster feiert ihr Saisonfinale auf eine ganz besonders masochistische Art: Sie wurde eingeladen zu den World Championships  der Big Dog’s Backyard Ultra. Was es damit auf sich hat und was ein Backyard Ultra ist berichtet sie uns hier:

Eine Runde laufen

Eine Runde laufen. 6,706 Kilometer in einer Stunde. Mit ein paar Höhenmetern. Das klingt langsam. Vielleicht zu langsam. Auf jeden Fall machbar. Doch wie oft lässt sich das wiederholen?

Das werden Athleten kommendes Wochenende rund um den Globus herausfinden. Bei den World Championships dieses Formats, dem Big Dog’s Backyard Ultra. Dieser findet jährlich in Tennessee (USA) statt. Doch aufgrund Covid-19-bedingter Reiseeinschränkungen musste eine alternative Lösung her. Und so finden dieses Jahr zahlreiche Satellitenveranstaltungen in teilnehmenden Ländern statt. Dort laufen jeweils Teams bestehend aus fünfzehn Männern und Frauen unterschiedlicher Nationen miteinander und gegeneinander, bis nur noch ein Läufer oder eine Läuferin im Rennen ist. Das Rennen ist vorbei, wenn der zweitbeste Läufer nicht mehr antritt oder es nicht innerhalb der einen Stunde ins Ziel schafft. Weltmeister wird der Gewinner des am längsten andauernden Rennens.

World Championships: Big Dog’s Backyard Ultra

Vor zwei Wochen erhielt ich die Einladung, für das Schweizer Team in Zürich/Witikon an den Start zu gehen. Ich überlegte nicht lange und sagte Race Director Carsten Drilling spontan zu.

Um im virtuellen Vergleich über die Ländergrenzen hinweg gut abzuschneiden, ist ein starkes Team gefragt, das sich im internen Wettstreit lange im Rennen hält. Es gibt keine Altersklassen, noch nicht einmal eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen. Gesucht wird der oder die „last (wo)man standing“. Der Track Record der beim Schweizer Satelliten teilnehmenden Athleten klingt vielversprechend. Zum Glück habe ich die folgende Woche bereits Urlaub geplant gehabt.

Die Distanz von 6,706 Kilometern oder 4,167 Meilen entspricht exakt 1/24 der Ultraläufern vertrauten 100 Meilen-Distanz. Die Streckencharakteristika orientieren sich an der am jeweiligen Veranstaltungsort gegebenen Topografie und Geländebeschaffenheit. Während auf der Originalrunde in Tennessee zwischen einer am Tag gelaufenen Trailrunde und einem Straßenpendant während der Nacht gewechselt wird, werden wir in Witikon auf einer einheitlichen Runde mit etwas über hundert Höhenmetern auf Waldwegen laufen.

Lazarus „Laz“ Lake: Mastermind des Rennformats

Gary Cantrell, besser bekannt als Lazarus „Laz“ Lake und Organisator des berüchtigten Barkley Marathons, steht als Mastermind hinter diesem Rennformat. Genau wie der Barkleys gibt sich der Backyard auf den ersten Blick harmlos. Anders als bei Wüstendurchquerungen, Skyruns mit ausgesetzten Kletterpassagen oder Läufen unter brutalen Temperaturbedingungen, wartet dieses Event mit nichts Spektakulärem, nichts Außergewöhnlichem auf. Das Extrempotenzial des Rennens bleibt zunächst hinter dem Normalen einer locker zu laufenden Ein-Stunden-Runde verborgen. Das Grauen erwächst in Analogie zu vielen von Stephen King’s Horrorklassikern aus dem Alltäglichen. Und so formuliert auch Laz Lake treffend, „You’ll wonder how someone can inflict so much pain without a weapon“. Ich hoffe natürlich – wie beim Anschauen eines Gruselfilms – dem zu entgehen. Doch der Regisseur wird darauf keine Rücksitz nehmen.

Alles was ich nun machen kann, ist mich bestmöglich auf das Rennen einzustellen. Seit meiner Zusage beschäftigen mich viele Fragen. Welche Renntaktik soll ich anwenden? Ich werde defensiv beginnen. Die Geschwindigkeit sollte so langsam sein, dass ich meine Energiereserven bestmöglich schone. Im Gegenzug sollte die Pause jedoch so lang sein, dass ich mich ausreichend erholen und verpflegen kann. Ist dieser Trade Off nicht schon schwer genug aufzulösen, so dürfte sich die optimale Renn-/Pausen-Ratio im Zeitverlauf verändern. Der Bedarf zu essen, zu schlafen und zu regenerieren lässt sich leider nicht linear in 60-Minuten-Sequenzen aufteilen.

Diesmal gibt es keine Ziellinie

Bislang habe ich immer meinem Körper vertraut, dass er mich sicher ins Finish bringt. Doch diesmal gibt es keine Ziellinie. Mir gefällt die Idee der Central Governor Theory. Vereinfacht gesagt, übernimmt dieser imaginäre Steuermann in unserem Kopf die Aufgabe, die vorhandene körperliche Kapazität in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden Energiereserven so zu allokieren, dass der körperliche „shut-down“ erst nach dem Überqueren der Ziellinie erfolgt. Wie wird mein Steuermann nun mit dem auf Unendlichkeit ausgelegten Format umgehen? Ich weiß es nicht!    

Es ist deshalb auch das erste mal, dass ich keine Prognose abgeben kann. Beim UTMB war ich dreißig Stunden auf den Trails unterwegs. Beim legendären Swiss Iron Trail T201 im Jahr 2016 waren es über 45 Stunden. Beide Male ohne Schlaf. Beim Iron Trail dafür mit Halluzinationen. Diese hätten diesmal zumindest etwas Gutes. Die Monotonie der immer gleichen Runde würde unterbrochen. Wir werden sehen. Ich werde berichten.

Zum "Warmlaufen" rannte Basilia vergangenes Wochenende mal eben auf den 1. Platz beim Les Défis du Jubilé (62 Kilometer, 2700 Höhenmeter) © Basilia Förster