Cortina Trail: Aufgeben ist keine Option - xc-run.de Trailrunning

Cortina Trail: Aufgeben ist keine Option

Christian und Martin beim Lavaredo Ultratrail 2017 © Christian Mayer

In der Zeit vom 22.06. bis zum 25.06.2017 stand das vor allem als Wintersportort bekannte Cortina d´Ampezzo ganz im Zeichen der Trailrunner. Der North Face Lavaredo Ultratrail startete am Freitag, 23.06.17 um 23 Uhr als Hauptlauf und ist Bestandteil der Ultra-Trail World Tour. Dabei sind 120 km mit insgesamt 5.850 pos. Höhenmeter zu bewältigen. Daneben wurden noch das Cortina Skyrace mit 20 km und 1.000 Hm und der 48 km lange Cortina Trail mit 2.600 pos. Höhenmetern angeboten.

Bereits jeweils im Dezember eines vergangenen Jahres muss man sich aufgrund der hohen Nachfrage für eine Strecke entscheiden und sich auf einen der knapp bemessenen Startplätze bewerben. Da Tobias Herzog, Martin Bauer und ich nach der Anmeldung auch das notwendige Losglück hatten, konnten wir uns den Cortina Trail in unseren persönlichen Rennkalender für das Jahr 2017 eintragen. Nach mehr oder minder erfolgreich verlaufender Vorbereitungszeit, Martin und Tobias fielen durch verschiedene Verletzungen immer wieder, bzw. für einen längeren Zeitraum aus, starteten Martin und ich am Donnerstag vergangener Woche nach Cortina d`Ampezzo. Tobias konnte aufgrund beruflicher Verpflichtungen erst am Freitag nachkommen.

Ankunft in Cortina und erste Eindrücke

Bei unserer Ankunft mussten wir Umwege in Kauf nehmen, da genau zu diesem Zeitpunkt das Skyrace gestartet wurde. Dabei erhielten wir bereits einen ersten Eindruck welche super Stimmung die Laufsportbegeisterten in Cortina verbreiteten. Die halbe Stadt war zu diesem Zeitpunkt auf den Füssen und bejubelte die Athleten. Nachdem wir unsere Unterkunft bezogen hatten, machten wir uns auf den Weg zum Eisstadion in dem die Ausgabe der Startnummern und die Expo stattfanden. Wir waren begeistert von der Atmosphäre die schon jetzt zu Beginn des Laufwochenendes in Cortina vorherrschte. Die Stadt war voll von bunt bekleideten Trailläufern und ihren Angehörigen und auch bekannte Eliteläufer waren vereinzelt zwischen den ambitionierten Hobbysportlern zu sehen.

Am Freitag nutzten wir den für uns noch freien Tag und fuhren mit der Seilbahn auf die Tofana di Mezzo um uns von dort aus einen ersten Überblick über die Strecke zu verschaffen. Von 3.244 m Seehöhe aus zeigte sich die Schönheit der Dolomiten eindrucksvoll und wir konnten bereits jetzt erahnen was uns am nächsten Tag erwarten sollte. Wir hatten dabei auch die Gelegenheit andere Läufer kennenzulernen und wir bewunderten ihre Lockerheit als diese von ihren bevorstehenden 120 km Lauf schwärmten, als würde dies nur einen Spaziergang bedeuten. Wir jedoch freuten uns auf unseren „kurzen“ Lauf und genossen diese Auszeit am Berg.

Der Start des Lavaredo Ultratrails

Pünktlich zum Start des Lavaredo Ultratrails wollte auch Tobias ankommen, so dass wir uns kurz vor 23.00 Uhr zum Startbereich begaben. Trotz der vorgerückten Stunde waren wir viel zu spät dran, um überhaupt noch einen Platz in der ersten Reihe an der Absperrung für die Zuschauer zu bekommen. Die Stimmung an der Strecke erzeugte Gänsehaut. Die Stadt war relativ dunkel, nur ein paar Lichter brannten. Der Kirchturm beim Startbereich war hell beleuchtet. Mit der Musik von Ennio Moricone wurde durch den Sprecher der Countdown zum Start gestartet und schon gingen 1.500 Läufer auf die lange 120 km Strecke. Voller Euphorie und Vorfreude auf unser bevorstehendes Rennen gingen wir zurück zum Hotel und versuchten noch mehr oder weniger gut zu schlafen.

 

Letzte Vorbereitungen und der Start des Cortina Trail

Um 5:30 Uhr klingelte der Wecker und während Tobias in der Eishalle noch schnell seine Startunterlagen besorgte, genehmigten wir uns ein ausgedehntes Frühstück. Um nun nicht bereits zu Beginn zu viele Plätze zu verlieren und auf den Trails stecken zu bleiben, begaben wir uns schon um 7:20 Uhr in den Startbereich, der sich zusehends füllte.

Wie bereits in der Nacht wurden zu den Klängen von Ennio Moricone`s „Ecstasy of gold“ die letzten Minuten bis zum Start eingeläutet. Mit Gänsehaut vernahmen wir das zählen des Countdowns und schon ging es auf die Strecke. Die Stimmung in Cortina selbst und auch später auf der Strecke war typisch italienisch einfach nur umwerfend. Dies verleitete natürlich auch dazu, den Lauf viel zu schnell anzugehen und gleich zu Beginn einfach zu viele Körner zu verbrauchen. Mir wurde dies bereits nach den ersten zwei Kilometern als es das erste Mal auf die Trails ging bewusst. Ich stellte fest, dass ich meine Herzfrequenz überhaupt nicht in den Griff bekam und diese schon jetzt viel zu hoch war. Von nun an versuchte ich den richtigen Spagat zwischen HF- Kontrolle und zügigem Vorankommen zu erreichen. Da der erste 6 km lange Aufstieg von der Steigung her sehr schön zu laufen war, warf ich meine Vorsätze schnell über Bord und machte viele Plätze gut.

Das Schreckgespenst DNF

Nach ca. 7 km erreichten wir einen relativ ebenen Talkessel bei dem ich eigentlich nochmals ordentlich Gas geben wollte. Doch aufgrund der dort sehr unangenehm stehenden heißen Luft und meiner Anfangsfehler bemerkte ich bereits hier, dass es nicht mehr so rund lief.  Mittlerweile hatte mich sogar Tobias eingeholt. Mit teils aufmunternden und teils mahnenden Worten versuchte er vergeblich mir Beine zu machen. Und obwohl ich versuchte an ihm dran zu bleiben, vergrößerte sich der Abstand zwischen uns beiden immer mehr. Zusätzlich zu meinen körperlichen Problemen mussten wir in diesem Talkessel mehrmals einen Fluss queren, so dass ich bald zu allem Überfluss auch noch nasse Füße hatte. Ein erstes Gel zu diesem Zeitpunkt half mir zwar kurzzeitig, trotzdem sehnte ich zumindest die erste Wasserstelle bei km 16 herbei. Nach einem weiteren Anstieg erreichte ich diese und konnte meine Enttäuschung nur mühevoll verbergen. Diese Wasserstelle entpuppte sich als eine normale Viehtränke in die über einen Schlauch frisches Bergwasser floss. Zusätzlich versuchte ein Mann sein bestes und versorgte uns durstige Läufer so gut es ging mit Cola. Ein bisschen wenig für die Masse der nun ankommenden Läufer. Aus diesem Grund füllte ich nur meine Flaschen und suchte das Weite. Da sich nun zu meinem Leidwesen auch schon die ersten Krämpfe bemerkbar machten, versorgte ich meinen Körper notdürftig mit Salztabletten und einem weiteren Gel. Mühevoll bewältigte ich den nun folgenden Aufstieg zur Forcella Col die Bos (2331 m) und versuchte, soweit es nur ging, es im Downhill zur ersten Verpflegungsstelle bei km 24 rollen zu lassen. Das Rifugio Col Gallina (2054 m) lag an einer viel befahrenen Passstraße und war schon von weitem sichtbar. Aber bereits hier schwirrte das Schreckgespenst des DNF bei mir im Kopf herum. Mein Magen war zu diesem Zeitpunkt bereits so leer, dass ich nur mit einem Würgereiz die uns reichlich zur Verfügung gestellten Lebensmittel betrachten konnte. Also füllte ich nur meine Wasserflaschen auf, genehmigte mir noch drei Becher Cola und lief wieder los. Da auch hier sehr viele Zuschauer applaudierten und gute Stimmung machten, versuchte ich natürlich ein lockeres Bild abzugeben. Aber bereits beim nächsten Anstieg als der Trail wieder in den Wald einbog, suchte ich mir einen Stein und setzte mich erst einmal hin. Ich muss ein wirklich sehr armseliges Bild abgegeben haben, da mich die vorbeiziehenden Läufer sehr mitleidig anblickten. Der Versuch zumindest einen Energieriegel zu mir nehmen endete nach dem ersten Bissen abrupt mit dem entleeren des letzten Mageninhalts. Viele Gedanken kreisten nun durch meinen Kopf: Macht es noch Sinn? Gehe ich zurück zur VP? Mein allererstes DNF? Am Ende stand für mich jedoch fest, dass aufgeben für mich keine Option sei. Ich hatte noch genügend Zeit und selbst wenn ich die folgende 2. Hälfte nur gehen würde, dann wäre ich noch innerhalb des Zeitlimits. Also nahm ich meine letzte Kraft zusammen, stand wieder auf und schloss mich einer vorbeiziehenden Läuferkarawane an.

Nur nicht aufgeben – es geht weiter!

Da es von nun an in Richtung Rifugio Averau (2413 m) steil bergauf ging, war an laufen sowieso nicht zu denken und der langsamen Gangart meiner Mitstreiter konnte ich auch ausgepumpt noch gut folgen. Plötzlich vernahm ich von hinten eine mir bekannte Stimme. Es war Martin, der mich mittlerweile eingeholt hatte und mir noch zusätzlichen Antrieb gab. Er forderte mich immer wieder auf an ihm dran zu bleiben und nicht aufzugeben. Ich schöpfte neue Hoffnung und mein Kampfgeist erwachte zu neuem Leben. Am Rif. Averau war wahrscheinlich aufgrund der sehr warmen Witterung eine weitere Wasserstelle eingerichtet, so dass ich nochmals meine Wasservorräte auffüllen konnte. Auf dem nun folgenden Downhillabschnitt bis zur nächsten Verpflegungsstelle verdrückte ich noch zwei Gels und ich konnte sogar wieder die wunderschöne Umgebung genießen. Beim Passo Giau (2236 m) hielten wir kurz an, nahmen etwas Obst und Cola zu uns und schon ging es wieder weiter. Gemeinsam ging es nun relativ schnell voran, wobei wir aber bei den Anstiegen immer wieder durch sehr langsame Läufergruppen eingebremst wurden. Eine letzte Bewährungsprobe stand uns beim Aufstieg zur Forcella Giau (2360 m) bevor. Hier hatte nun Martin einen kleinen Durchhänger, der aber durch gutes Zureden und einem weiteren Gel gut überwunden wurde. Bei km 38 hatten wir nun endlich den letzten Anstieg der Strecke überwunden und von nun an sollte es nur noch bergab gehen. Voller Freude klatschten wir uns ab und gingen mit schmerzenden Oberschenkeln in den ersten langen Downhill bis zur Verpflegungsstelle Rifugio Croda da Lago (2066 m) Nach weiteren drei Bechern Cola und dem letzten Auffüllen der Flaschen ging es gleich zu Beginn der letzten 9 km einen 22% – Downhill hinab in Richtung Cortina. Ein etwas unangenehmer Zeitgenosse versuchte von hinten mit lautem „Passo, passo, passo“ seinem Wunsch zu überholen Nachdruck zu verleihen. Da ich mittlerweile in mir selbst ruhte, ging ich einen Schritt zur Seite und ließ in vorbei. Auch Martin ließ ihn nach einem kurzen Wortgefecht gewähren und gemeinsam versuchten wir uns den steilen Abhang hinunter nicht jetzt noch zu verletzen. Groß war unsere Freude als wir an dem nun folgenden Gegenanstieg unseren Drängler wieder ein- und auch überholten und wir nun wieder ordentlich Tempo aufnehmen konnten. Nach schier endlos wirkenden weiteren 5 km spuckte uns der Wald nun endlich am Ortsrand von Cortina aus.

Ein unvergesslicher Zieleinlauf

Ich animierte Martin, der nun mittlerweile auch am Ende seiner Kräfte angekommen war, ein letztes Mal alles zu geben um noch vor der 7- Stunden- Grenze ins Ziel zu kommen. Als wir in die Hauptstraße in Richtung Ziel einbogen, wurden wir unter frenetischen Applaus der vielen Zuschauer begrüßt und gefeiert. Die letzten 1.000 m bis zum Ziel entschädigten für alle Strapazen der Strecke und wir genossen diesen überwältigenden Zieleinlauf. Kurz vor der Zeitnahme stand auch noch unser Freund und Mitstreiter Tobias Herzog, der uns trotz einer erst vor zwei Monaten erlittenen schweren Verletzung über 20 min Laufzeit abgenommen hat. Mit einer Zeit von 6h 51 min und den Platzierungen 201 und 202 finishten wir den Cortina Trail. Wir fielen uns gegenseitig in die Arme, feierten und genossen diesen Moment.

Fazit

Egal für welches Rennen man sich letztendlich entscheidet, Cortina ist schon aufgrund der Atmosphäre am Rennwochenende eine Reise wert. Aber man muss sehr schnell sein, da die Veranstalter nur ein sehr kurzes Zeitfenster für die Anmeldung offen halten. Bei der anschließenden Startlotterie benötigt man dann noch das Quentchen Glück um gezogen zu werden. Ich persönlich werde vermutlich nicht mehr nach Cortina fahren, da der Trailzirkus derzeit boomt und das Angebot an interessanten Rennen einfach zu groß ist. Außerdem würde ich im Falle eines Falles beim Lavaredo Ultratrail starten, um dann auch den ersten Teil der Strecke (Lauf um die Drei Zinnen) kennen lernen zu dürfen. 

Text und Bider: Christian Mayer

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