Bleilochlauf 2022: Landschaftslauf um Deutschlands größten Stausee

Bleilochlauf 2022 Siegerehrung
Bleilochlauf 2022 Siegerehrung © Bleilochlauf

Gedankenverloren spaziere ich frühmorgens über den kleinen Sportplatz. Noch ist es ziemlich einsam. Nur der Startbogen erinnert mich daran, dass heute meine Laufsaison startet. Und wieder einmal zieht es mich nach Thüringen. Diesmal nicht auf den Rennsteig. Heute geht es um Deutschlands größten Stausee: den Bleilochsee.

Vor fünf Jahren habe ich hier mal einen Trainingslauf gemacht und mich sofort in die fjordähnliche Landschaft an der Saale verliebt. Die Größe des Sees erschließt sich einem nur nach und nach. Ausläufer des Sees in alle Richtungen und die davor und danach sich durch das Schiefergebirge schlängelnde Saale haben ein Labyrinth aus Wasser erschaffen. Wenig überraschend, zwang mich bei meinem Trainingslauf eine weglose Uferböschung zur Umkehr. Heute vertraue ich der Streckenführung des erfahrenen Orga-Teams.

Die Strecke wie immer

Das Racebriefing kurz vor dem Start hilft mir allerdings wenig. „Bis auf einen kleinen Umweg wie immer.“ Wahrscheinlich bin ich der einzige Rookie inmitten der Traditionsläufer. Ich muss schmunzeln. Das gefällt mir an Thüringen. Knapp zweihundert Läufer warten im Halbkreis auf den Startschuss. Niemand drängelt sich nach vorne. Entspannt und familiär ist die Atmosphäre. Das beruhigende Grün des Thüringer Waldes scheint sich auch seiner Eindringlinge zu bemächtigen. Vielleicht ist es auch der Respekt vor der Startlinie, die die meisten – wie auch ich – das erste Mal für dieses Jahr überqueren. Doch die Memory-Funktion des Körpers funktioniert. Racemode on. Schnellen Schrittes fliegen wir bergab durch die malerische Innenstadt Saalburgs. Eine letzte Positionssuche auf der Brücke des Friedens, dann zweigt schon ein Forstweg zum Ufer ab. Ich versuche mein Tempo zu finden. Immerhin 46 Kilometer mit knapp 1.000 Höhenmeter warten auf mich. Trotzdem entscheide ich mich schon bald, etwas zu forcieren und einen Vorsprung auf die zunächst führende Frau herauszulaufen.

Am verschlungenen Fluss

Es ist angenehm kühl auf dem Uferweg. Ich habe mich deshalb gegen ein eigenes Trinksystem entschieden. Nur fünf Gels habe ich dabei. Schon bald kommt die erste Verpflegungsstation. Kurz darauf verlassen wir den See Richtung Wald. Erst moderat ansteigend, dann wieder hinunter gelangen wir ins Saaletal. Der Weg verengt sich zum Pfad. Mein Herz hüpft. Meine Füße auch. Im Angesicht des majestätischen Schlosses Burgk erreichen wir im grünen Tal die gleichnamige Talsperre. Nun folgen wir der verschlungenen Flussführung mit einigen Querungen. Zum vorerst letzten Mal geht es über eine überdachte Holzbrücke über die Saale. Bis jetzt war es noch ziemlich flach. Doch vor dem kommenden Anstieg warnt ein Schild: 16% Steigung. Eine kurze Aktivierung, bevor es schon wieder hinunter zum Turning Point in Walsburg geht.

Back on Trail

Der Weg wird schmaler und etwas technischer. Die Steigungen nehmen zu. Hindernisse in Form umgestürzter Bäume auch. Irgendwann führt uns der Weg zurück in das Tal. Kurz vor der überdachten Holzbrücke biegen wir nach links oben ab. Zwischen alten Burgmauern laufen wir zum Schloss Burgk. Der mit sämigen Schlamm überzogene, giftgrüne Teich wirkt fast kitschig. Nur der Frosch zum Küssen fehlt. Doch wie eine Prinzessin sehe ich nach dem bisherigen Fight auch nicht mehr aus.

Die Verpflegung kommt gerade recht. Cola, Energy-Drink, Gel. Die Energie kommt in den Beinen an. Das Laufen wird härter. Der finale Radweg zieht sich in die Länge. Die Beine fühlen sich ziemlich bleiern an. Nach diesem Stoff wurde in der Seegrube vor der Flutung gegraben. Jetzt geht es darum, das Blei wieder aus den Beinen zu bekommen. Ein letztes Gel hilft. Ich schaffe es sogar, noch unter vier Stunden zu bleiben.

Bleilochlauf-Family

Mit dem Überqueren der Ziellinie weicht alle Anspannung. Ich bin mega happy mit meinem ersten Formtest. Alle anderen auch. Jeder ist happy, beglückwünscht ankommende Freunde. Die Familie findet wieder zusammen. Bei der Siegerehrung freue ich mich über meine Geschenke. Ein Willpower-Hoddie in XS. Woher wussten die, dass eine so kleine Läuferin gewinnt? Hmm. Egal. Irgendwie habe ich das Gefühl, jetzt auch ein bisschen zur Bleilochlauf-Familie zu gehören. Und wenn beim nächsten Racebriefing die Strecke erklärt wird und alles „eigentlich wie immer“ ist, dann werde ich innerlich schmunzeln, aber äußerlich wissend nicken.

Basilia Förster