Ultra Trail Atlas Toubkal: Rennbericht Timo Zeiler

Ultra Trail Atlas Toubkal 2017 © UTAT

Timo Zeiler war dieses Jahr zu Gast beim Ultra Trail Atlas Toubkal in Marokko. Hier der Erfahrungsbericht über sein Lauf-Abenteuer im Atlasgebirge.

Timo Zeiler: Ultra Trail Atlas Toubkal

Nach 4 Stunden Flugzeit bin ich in Marrakesch gelandet. Von hier aus geht es per Shuttlebus zum Startort nach Oukaimden (2500m NN)  im Atlasgebirge. Nach einigen unruhigen Nächten und zweitägiger Akklimatisation geht es um 4:30 Uhr zum Frühstück. Eine Stunde später ist der „Check-In“ in den Startbereich, hier werden alle Läufer und stichprobenartig auch die Ausrüstung nochmals kontrolliert. Pünktlich um 6:00 Uhr, mit dem allmorgendlichen „allah ákbar“ (Gott ist groß) Gebet des Muezzin, fällt der Startschuss für den Ultratrail und den Trailmarathon. Es ist schon beeindruckend in einem „Riesen-Leuchtwurm“ die ersten 500 hm auf knapp 3000m Höhe zu bewältigen.

Tag 1: Trail-Marathon

Schon der Start ist einzigartig, wenn durch das ganze Tal bis in die letzte Ecke der Ruf des Muezzin hallt. Nach den ersten 12 km und dem ersten Anstieg oben angekommen, kann man eindrücklich kurz die Aussicht auf Marrakech und den Sonnenaufgang genießen. Nun sollte ein 6 km, relativ einfach zu laufender Downhill folgen. Nach 3 km teilt sich die 105 km von der 42 km Strecke. Diese Stelle ist vor allem für die Marathonläufer kniffelig, da die Streckenmarkierung durch das dortige Berberdorf nicht eindeutig ist. Zum Glück sind auch ein paar „einheimische“ Läufer unter uns, die die Strecke kennen und uns den richtigen Weg weisen. Wieder in der richtigen Spur angekommen führt uns der Weg weiter über technisch schwieriges Gelände durch ein Flußbett zum nächsten Berberdorf. Bei diesem angekommen ist dann etwas versteckt in einem Hinterhof die erste (von zwei) Verpflegungsstation. Meine Laufzeit bis dorthin liegt bei ungefähr 2:00 h für ca 20 km (also schon knapp die Hälfte der Strecke). Ich verpflege mich gut, fülle meine Softflasks wieder auf, bevor es dann an das schwierigste Teilstück geht. Es sollte ein steiler Anstieg mit ca 10 km und 1400 hm auf 3100m Höhe folgen. Auf diesem Abschnitt kommen uns auch die 105 km Läufer wieder entgegen. Der bis dato führende Läufer ist mein Reiseleiter Daniel Jung aus Südtirol, keine Überraschung, ist er doch in einer bestechenden Form.  Viel beeindruckender hingegen ist die erste Frau Andrea Huser (Schweiz), die schon auf Rang vier des 105km Rennens läuft. Beeindruckt von deren Leistung marschiere ich weiter den steilen Anstieg Richtung 3100m hoch. Bei der Hälfte des Anstieges kommen wir durch ein weiteres Berberdorf, angefeuert durch die dortigen Kinder und Alexander Binz geht es weiter dem höchsten Punkt der Strecke entgegen. Allerdings läuft es bei mir nicht mehr ganz so einfach, zum einen merkte ich, das mir an diesem Tag die Höhe extrem zu schaffen macht, zum anderen spüre ich deutlich meine fehlende Fitness solch eine Strecke läuferisch durchzustehen. Also geht es für mich wandernd mit kurzen Pausen weiter, so erreiche auch ich nach ca 4:15 h Gesamtlaufzeit den höchsten Punkt mit 3196m.  Die Aussicht aber ist die Qual wert und ein weiteres Mal sehr beeindruckend. Rechts und links von mir thronen majestätisch die 4000 m Riesen. Nach einem kurzen „Gipfelbild“ auf der Passhöhe, geht es in einen technisch schwierigen Downhill über felsiges und sandiges Steppengelände. Ein Sturz in die kleinen Büsche dort wäre etwas schmerzhaft gewesen, denn diese sind sehr stachelig. Bei der Hälfte des Abstieges lauert die nächste Überraschung und manch ein Läufer hat in weiser Voraussicht ein paar Dirham eingesteckt, die an dieser Stelle bestens investiert werden können. Im Schatten eines Feldes sitzt tatsächlich ein Berber mit seinem Esel und verkaufte Cola, Fanta, Sprite… und Mars-Riegel. Ja richtig Mars-Riegel!!! Nach kurzem Überlegen, ob ich mir sowas gönnen soll entscheide ich mich doch ohne die zusätzliche Verpflegung weiter zu laufen, leider denke ich auch nicht dran ein Bild des Herren zu machen, er wäre es definitiv wert gewesen. Endlich unten angekommen folgen wir einer  Asphaltstraße, später einem schönen Trail, der verschiedene Berberdörfer miteinander verbunden hat und gut zu laufen ist. Vor dem letzten steilen Anstieg bei km 32 wartet die zweite offizielle Verpflegungsstation auf uns und ein weiterer Kontrollpunkt. Hier fülle ich nochmals meine Softflask, die eine mit Cola + Wasser, die andere nur mit Wasser, damit ich die letzten 10 km mit knapp 700 hm im Aufstieg und 500hm im Abstieg gut überstehe. Nach kurzer Verpflegung geht es dann auch gleich in den steilen letzten Anstieg. Hier bekomme ich doch tatsächlich die zweite Luft, kann noch ein paar Läufer aufsammeln und die kleine Gruppe an die ich mich angeschlossen habe hinter mir lassen. Der Anstieg ist schon sehr steil und technisch nicht ganz einfach zu laufen, aber genau so liebe ich es ja. Nach 6:17 h erreiche ich die letzte Passhöhe mit 2960 m. Nun geht es nur noch 6 km mit 500 hm im Abstieg ins Ziel, gefühlt bin ich dieses letzte Teilstück alleine unterwegs, vor mir niemand zu sehen und auch hinter mir niemand mehr in Sichtweite… Ca 1,5 km vor dem Ziel treffe ich dann doch wieder auf Zivilisation, einige Begleitpersonen anderer Läufern sind wandernd auf dem Streckenabschnitt unterwegs und endlich ist das Ziel dann auch zu sehen. Glücklich überschreite ich nach 06:47 min als 24. die Ziellinie, zwei meiner Südtiroler Freunde sind schon weit vor mir angekommen, ein tolles Rennen für die beiden.

Was für ein geniales Erlebnis drei 3000 m Passhöhen zu überqueren, verschiedene Landschaften und vielen kleinen Berberdörfer zu sehen – einfach einmalig. Den Rest des Tages ist Erholung angesagt und wir verbringen ihn mit essen, schlafen, einem kurzen Spaziergang und warten auf die Zielankunft von Daniel Jung, der weiterhin die 105 km Distanz souverän anführt. Wir, die Südtiroler Laufgruppe und ich verabreden uns auf 18:00 Uhr im Zielbereich. Gespannt warten wir auf Daniel,  der gegen 20 Uhr nach 14:00 h ins Ziel einläuft. Ein überragender Sieg und eine Demonstration der Stärke über die ganzen 105 km – was für eine krasse Leistung! Gemeinsam tanken wir beim Abendessen wieder auf, dieses mal mit Reis und natürlich Hühnchen… Danach feiern wir noch kurz mit Daniel und gehen wieder frühzeitig ins Bett, denn schließlich steht am nächsten Tag noch der 26 km lange Trail mit 1400 hm auf der Agenda.

Tag 2: 26k im Rahmen der Challenge

Heute konnte ich endlich ohne Probleme durchschlafen. Es liegt wohl daran, dass ein Großteil der 105 km Läufer noch unterwegs sind. Für uns geht es um 06:30 Uhr zum Frühstück, danach den Laufrucksack packen und um 08:30 Uhr zum Check-In für den Start des 26 km Rennens. Pünktlich um 09:00 Uhr ist Start. Ich ordne mich wieder in etwa um Platz 20 ein und laufe locker los. Vorneweg rennt eine ganze Gruppe Marokkaner, die ein unwahrscheinliches Tempo vorlegen. Zunächst geht es wieder auf die Passhöhe, die wir gestern bereits überquert haben, hinauf auf knapp 3000m, ein sehr moderater erster Anstieg. Danach wird’s steil und technisch, in engen Serpentinen laufen wir wieder knapp 1000 hm auf 3 km bergab in das Berberdorf in dem am Vortag die letzte Verpflegungsstation war. Heute ist dort nichts und es gestaltet sich wiedereinmal etwas schwierig den Weg durch das Dorf zu finden. Wir sind eine kleine Gruppe und laufen zusammen, bis wir den Weg wieder gefunden haben. Nach dem Dorf geht es 5 km einen schönen gut laufbaren Trail entlang. Immer wieder treiben Frauen in den Dörfern ihre wenigen Kühe über den Weg, Hühner rennen vor unseren Füßen und wir werden fleißig von den Dorfkindern angefeuert. An Hausecken sitzen ein paar Frauen, die Ihre Wäsche im offenen Kanalsystem waschen, die Männer sind meist mit ihren Ziegenherden in den Bergen unterwegs. Wir überholen auf dem Weg zur ersten und einzigen Verpflegung immer wieder Läufer des 105 km Rennens, man sieht ihnen die Strapazen förmlich an, trotzdem bringen die meisten noch ein Lächeln über ihr Gesicht und feuern uns an. Nach knappen 18 km und einer Laufzeit von 1:50 h erreiche ich die Verpflegungsstation, ich fühle mich bis dahin wesentlich besser als beim gestrigen 42 km Rennen. Nach der Verpflegung geht es dann in den letzten Anstieg, dieser hat es ganz schön in sich. Auf knappen 6 km sind noch 1000 hm zu bewältigen. Zuerst geht es im Wechsel mit einer Schottenpiste und sandigen schmalen Wegen bergauf, danach wird der Anstieg stetig technischer, aber immer auf rotem Sandstein, schön gleichmäßig ansteigend. Es folgt kommt eine kurze Flachpassage (ca 1,5 km), bevor der finale Anstieg zur Passhöhe mit den marokkanischen Flaggen erreicht ist. Im letzten Anstieg haben wir auf 2,5 km ca 600 hm zu überwinden. Der technisch schwierige Weg geht in schmalen Serpentinen über ein Sandstein-Geröllfeld, vorbei an großen Felsblöcken, hoch auf 2900 m. Von dort oben sind es dann nur noch 3 km ins Ziel bergab. Oben an der Passhöhe ist noch eine kleine Kontrollstation, von den Helfern dort werden wir fleißig nach oben gepeitscht und dann kommen die letzten nicht enden wollenden 3 km. Meine Gruppe ist nicht direkt geradeaus ins Ziel gelaufen, sondern fälschlicherweise der Markierung des 12 km Laufes gefolgt, d.h. nochmal einen kurzen Anstieg hoch und dann auf einer breiten Straße bergab ins Ziel. Ein weiteres Mal ist die Strecke hier nicht eindeutig markiert aber was soll’s, auf die paar Meter kommt es letztendlich auch nicht mehr an. Nach 3:30 h erreiche ich das Ziel und werde dort von Philip Kemenater, der ca 15 min vor mir im Ziel ankommt empfangen, gemeinsam mit Daniel Jung, Luca Ambrosi und unserem deutschen Betreuer und Ansprechpartner Oliver Binz. Heute geht es mir läuferisch wesentlich besser als am Vortag, bis auf das letzte steile Teilstück. Ich bin platt und glücklich die beiden Rennen gemeistert zu haben. Nach einer kurzen Verpflegung, stehe ich unter die !!warme!! Dusche und lege mich erstmal ins Bett um mich auszuruhen. Eigentlich möchte ich nur kurz schlafen und mir dann mit den anderen was zu essen holen, aber irgendwie verpenne ich diese Powernap und wache erst wieder zur Siegerehrung um 18 Uhr auf. In der Hoffnung irgendwo eine Ergebnisliste zu finden mache ich mich auf den Weg in die kleine Zeltstadt, aber ich suche diese vergebens. Ein wichtiger Minister ist zugegen und ehrt jeweils die ersten drei Läufer jeder Strecke. Nach einer knappen Stunde ist das Prozedere vorbei. Der Rest erfährt dann die Ergebnisse erst ca 2 Wochen später im Internet… Vor dem Abendessen gehen wir nochmal in die Hütte und stoßen mit leckerem Wein mit Dani auf seinen Sieg an. Um 20 Uhr geht es dann zur Couscusparty, hier treffen nochmal alle Läufer zum Essen und netten Austausch zusammen. Bei Wein, Bier,… wird gefeiert, geredet und manche haben sogar noch genügend Energie das Tanzbein zu schwingen. Unkonventionell wie alles hier wundert es mich nicht, dass irgend ein Handy die Musik dazu liefert – nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem geht es für mich heute relativ früh ins ersehnte Bett.

Am Ende steht ein tolles Abenteuer, das ich nicht mehr missen möchte und bestimmt irgendwann wiederholt wird. Mit Platz 19 in der Challengewertung bin ich letztendlich ganz zufrieden. War echt eine tolle Woche. 

Hier geht es zu den weiteren Ergebnissen.

Timos Reisetipps 😉

Das Preis-Leistungsverhältnis der Reise mit 350 € Startgebühr inklusive Halbpension und Übernachtung (in Zelten) für 5 Tage in Oukaimden ist auch echt super. Die Übernachtung in der Hütte kostete 80 € Aufpreis was sich für die 5 Tage aber durchaus lohnt, denn abends wird es schon ziemlich frisch und Temperaturen bei Nacht zwischen 0 und 5 Grad sind durchaus nicht selten. Da schläft es sich in einer Hütte schon wesentlich angenehmer. Wer sich auf dieses Abenteuer einlässt sollte sich aber auf jeden Fall sicher im hochalpinen Gelände bewegen können und sich auf die Höhe unbedingt etwas vorbereiten. Insgesamt hat mich das Abenteuer, inklusive 3 Übernachtungen in Marrakech, Flug und weitere Ausgaben für Essen und Trinken ca. 800 € gekostet.

Den Gesamten Reisebericht findet ihr auf www.timozeiler.com