Transalpine Run von A bis Z: Das Resümee eines Finishers

Transalpine Run Etappe 2 © www.andifrank.com

Der Transalpine Run liegt nun ein paar Tage hinter uns und nachdem ich nun Gelegenheit dazu hatte, meine Gedankenwelt zu sortieren, ist es nun an der Zeit ein persönliches Resümee zu ziehen. Ich bin immer noch ergriffen von dieser Veranstaltung. Hätte mir jemand vorher dieses Gefühlschaos prophezeit, dann hätte ich es vermutlich nicht geglaubt. Da es mir immer noch schwer fällt, meine Gedanken in einen klar strukturierten Text zu fassen, habe ich mich dazu entschlossen, das Erlebte alphabetisch zu ordnen. Dabei will ich nicht immer alles Bierernst beleuchten und wünsche Euch viel Spaß:

A wie Ausdauer:

Um nicht unbedingt täglich mit den Cut-Off- Zeiten kämpfen zu müssen, gehört eine ausreichende Grundlagenausdauer zu den essentiellsten Dingen dieser Veranstaltung. Nur diejenigen die über eine gute Ausdauerfähigkeit verfügen, werden auch noch auf der 5./6./7. Etappe an langen, knackigen Anstiegen ihren Spaß haben.

B wie Bergerlebnis:

Bei keinem anderen Lauf kann man die Bergwelt so intensiv erleben wie beim TAR. Die meisten anderen Veranstaltungen sind auf ein Gebiet beschränkt, so dass man auch auf einzelne Gebirgszüge beschränkt ist. Anders beim TAR: Hier kann man viele unterschiedliche Bergwelten erleben und kennenlernen. Sei es wie auf der Westroute die Allgäuer Bergwelt mit ihren oftmals saftig grünen Bergriesen, mit dem Erzreichen Festein des Arlberggebietes, den Giganten in der Schweiz oder natürlich des Ortlergebiets (wenn es das Wetter erlaubt)

C wie Chaos:

Gleich mal eins vorweg, richtiges nerviges Chaos haben wir bei Plan B nicht erlebt. Dagegen leicht chaotisch konnte es durch die Läufer selbst zu gehen. So konnte zum Beispiel die Pastaparty schon einmal chaotische Züge annehmen, wenn die eigentlich gut strukturierte Essensausgabe durch einzelne Läufer gestört wurde, weil ihnen am Ende der Ausgabe auffällt, dass sie doch noch etwas von der Suppe am Anfang der Schlange haben möchten. In einemgroßen Saal kein Problem, in einem kleinen Gipfelrestaurant dagegen, kann dies schon zu leicht chaotischen Situationen führen.

D wie Distanz:   

Die Distanzen sind für alle Trailläufer die bereits den einen oder anderen Marathon hinter sich gebracht haben machbar. Allerdings sollte man sich von vorne herein bewusst sein, dass die tägliche Belastung das Zünglein an der Waage sein wird.

E wie Einzelkämpfer:

Diese werden im Verlauf der Woche immer mehr. Teilweise trotten diese Mitleidswürdig durch die Läuferschar da ihnen der Anschluss fehlt, teilweise aber reagieren diese mit einem kraftvollem „Jetzt erst recht“ und beißen sich bewundernswerter Weise durch.

F wie Familie:

Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber im Laufe der Woche wächst ein starkes Familiengefühl heran, das geprägt ist von Miteinander und von Fürsorge für den anderen. Und natürlich lässt es sich hier auch nicht vermeiden, dass es schwarze Schafe der Familie gibt. Aber das wird bei den einzelnen Briefings durch den großen Bruder Hafenmair sofort angesprochen und abgestellt.

G wie Gipfel:

Zu diesem Punkt könnte man Seiten füllen. Mit einem Gipfel verbinde ich viel mehr als nur das schöne Gipfelerlebnis. Für mich steht ein Gipfel für das „Höchste“ und damit meine ich die Gipfelerlebnisse untereinander. Der vertraute Umgang zwischen den Läufern, mit den Organisatoren und den Helfern.

H wie Hotel:

Hier gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten. Entweder man wählt die bequeme Variante und bucht ein komplettes Übernachtungspaket über HOST. Diese Möglichkeit bringt in Vorbereitung des TAR weniger Stress und spart Zeit. Dafür muss man dann aber in Kauf nehmen, dass sich die Hotels nicht direkt am Zielort befinden. Ich habe mich bereits ab Januar mit der Hotelauswahl beschäftigt. Dazu gehörte den Zielort mit Hilfe von Google Maps genau zu erkunden und anschließend das Hotel nach Entfernung zum Ziel-/Startplatz, nach Preis und nach angebotener Kategorie auszuwählen. Wichtig in diesem Fall ist es, die Hotels anzuschreiben, ob die Bereitstellung eines frühen Frühstücks möglich ist. Oftmals wir auch bei fehlender Bettenkapazität in einem Ort ein Shuttle angeboten. Von dieser Möglichkeit kann man Gebrauch machen, da man dann zumindest für zwei Tage das gleiche Hotel bezieht und somit das lästige Taschen packen entfällt.

I wie Individual Finisher:

Auf so einer langen Reise kann immer wieder etwas passieren. Der Teampartner verletzt sich, oder fällt aus verschiedenen anderen Gründen aus. In diesem Fall ist das Rennen für den übrig gebliebenen Läufer nicht zwangsweise vorbei. Man wird zwar nicht mehr als Team gewertet, erhält aber die Möglichkeit den TAR bis zum Ende alleine durchzuziehen. Natürlich winken auch in diesem Fall eine Finishermedaille und das Finishershirt.

J wie Ja:

Man muss „ja“ sagen und offen sein für Neues. Nur so kann man sich auf das Abenteuer TAR einlassen und wird daran auch nicht scheitern. Notorische „Nein- Sager“ werden es sehr schwer haben.

K wie Kosten:

Der TAR ist kein billiges Unterfangen. Neben der Startgebühr muss man immer mit Nebenkosten für zum Beispiel den Rücktransport, Essen (wenn man einmal etwas anderes haben möchte), Physiotherapie und sonstiges rechnen. Dieser Tatsache muss man sich aber von Anfang an bewusst sein. Man sagt ja zum „Abenteuer TAR“ mit allen Vorzügen und Konsequenzen. Man muss sich bereits zu Beginn darüber im Klaren sein, was dies bedeutet. Wer während dieser Woche aus Knausrigkeit heraus auf bestimmte Dinge wie zum Beispiel Massagen oder auch auf die eine oder andere Belohnung in Form von Kuchen oder Eis verzichtet, wird wenig Spaß haben.

L wie Liebe, lachen, Lebensfreude:

Man muss diesen Sport schon lieben um sich dieser Herausforderung täglich zu stellen. Dies merkt man aber allen Teilnehmern immer wieder an. Damit gleich zum nächsten Punkt. Nur wer diesen Sport liebt und alles für diesen gibt, hat auch nach einem Aufstieg von 1.400 HM noch ein lächeln für den Fotografen übrig. Zusammenfassend kann man hier sagen, nur mit einer ordentlichen Portion Lebensfreude kommt man gut gelaunt über diese Woche.

M wie Märchen:

Der TAR ist ein modernes Märchen über Liebe, Freude, Freundschaft, aber auch Wut, Trauer, Schmerzen und Hoffnungslosigkeit. Nur diejenigen die sich dieser Gefühlswelten stellen, können dieses moderne und niemals langweilig werdende Märchen erleben.

N wie Nachschlag:

Essen ist eigentlich ein Dauerthema. Durch die tägliche Anstrengung verbrennt der Körper Unmengen an Energie. Da wir als Team immer sehr ambitioniert mitgekämpft haben, bestand unsere Ernährung tagsüber aus Gels, isotonischen Getränken, Wassermelone und Äpfeln. Umso wichtiger war es, dem Körper bei den Pastapartys die notwendige Energie wieder zuzuführen. Der Geschmack der Mensch ist zum Glück sehr unterschiedlich und somit bewertet jeder die Qualität des angebotenen Essens anders. Ich war zum Beispiel vom angebotenen Kaiserschmarrn in St. Anton am Arlbergabsolut begeistert. Da ich aber niemanden das Essen wegnehmen wollte, habe ich bis kurz vor Ende der Veranstaltung gewartet und höfflich nach Nachschlag gefragt. Dies war absolut kein Problem! Anders kann es natürlich aussehen, wenn ein Großteil der Läufer auf diese Idee kommen, oder aber die notwendige Höflichkeit vermissen lassen. Wie man in den Wald schreit, so schallt es zurück.

O wie Opfer:

Der TAR gibt den Läufern sehr viel, fordert aber im Gegenzug auch eine gewisse Opferbereitschaft. Man muss sich vorher schon bewusst sein, dass diese Veranstaltung neben körperlicher Beschwerden vor allem eine mentale Höchstbelastung darstellen kann. Wie bereits erwähnt habe ich jetzt noch Probleme meine Gefühlswelt zu ordnen und zurück im Alltag möchte ich am liebsten ausbrechen und die grenzenlose Freiheit der Berge aufs Neue erleben.

P wie Partner, Professionalität, Physiotherapie:

Die Auswahl des Partners ist eine der wichtigsten Aspekte. Auf seinen Partner muss man sich sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten verlassen können. Die Stärke beider Partner muss ungefähr auf einem Level liegen, ansonsten hat der Schwächere wenig Spaß immer gehetzt zu werden und der Stärkere wird aufgrund der fehlenden Zeit im Gegensatz zur Konkurrenz irgendwann gefrustet sein. Dies kann eine Freundschaft auf eine harte Probe stellen.

Trotz des starken familiären Gefühls lassen es die Organisatoren und das Team um die Familie Albrecht herum niemals an Professionalität missen. Ich habe bis jetzt noch nie einen Lauf erlebt, der so gut markiert war, dass es zu keinen Problemen mit der Orientierung geführt hätte. Weiter ging es mit den Taschen. Wir haben diese morgens pünktlich abgestellt und am Nachmittag befanden sich diese entweder im Hotel, oder aber bereits auf den Zimmern. Das Programm rund um die Läufe herum war bekannt du wurde auch in diesem Umfang durchgezogen. Wenn es durch unvorhersehbare Umstände dennoch zu Änderungen kam, dann wurde man im Briefing, bzw. per E-Mail darüber informiert.

Es ist nicht unbedingt notwendig seinen eigenen Physiotherapeuten mit vor Ort zu haben. Man sollte sich dann allerdings unbedingt diesen kleinen Luxus von Behandlungen durch die Outdoor-Physios leisten. Dieses Team begleitet bereits seit Jahren die Trailrunning-Familie und weiß ganz genau welche spezifischen Probleme die Läufer haben. Außerdem tut es einfach gut, wenn man vom Laufen abschalten und sich verwöhnen lassen kann.

Q wie Quelle:

Auch hier möchte ich die Quelle als Metapher verwenden. Eine Quelle ist der Ursprung aus dem sich das reine Wasser ergießt. Der Ursprung für diese fantastische Veranstaltung wurde mittlerweile vor 15 Jahren gelegt. Eine Quelle die nicht gepflegt wird kann auch wieder versiegen. Das wäre im Falle des TAR bitter schade. Ich persönlich hoffe, dass der TAR weiter gepflegt wird und eine lange Zukunft hat. Mir persönlich ist es aus verschiedenen Gründen nicht möglich regelmäßig daran teilzunehmen. Sollte sich aber für mich die Gelegenheit bieten, dann werde ich ohne zu zögern wieder laufen. Bitte meine lieben Läufer, wenn ihr es euch körperlich und mental zutraut, nutzt die Gelegenheit und pflegt den TAR.

R wie Ruhe:

Ob man die Ruhe bei dieser Veranstaltung findet oder nicht ist von der jeweiligen Persönlichkeit abhängig. Ich habe meine persönliche Ruhe auf den langen Anstiegen gefunden. Oftmals habe ich dabei meinen Teampartner hinter mir gelassen. Ich habe mich im Nachhinein dafür auch entschuldigt. Aber dies war die beste Gelegenheit für mich zu mir selbst zu finden und alle Probleme und Sorgen des Alltags ganz weit weg zu schieben.

S wie Strecke:

Die Strecken waren sehr unterschiedlich. Von schönen Singletrails, verblockten Passagen über Forstwege zu Asphaltstraßen. Man kann sich über die jeweilige Streckenbestandteile freuen oder ärgern. Aber dazu muss man sich im Klaren sein, dass nicht jeder Läufertypus mit den unterschiedlichen Streckenbedingungen gleich zurechtkommt. Bei einem Läuferfeld von zu Beginn 1.000 Läufern kann man nicht die Wünsche jedes einzelnen befriedigen. Außerdem ist der Streckenkoordinator dafür verantwortlich das gesamte Feld gesund von Etappe zu Etappe zu bringen. Die Streckenanteile die für die Führungsgruppe gut machbar ist, kann für das hintere Drittel schon grenzwertig sein. Die langen Forstwege die unter Umständen das Herz des hinteren Feldes erfreuen, erscheinen dem ambitionierten Feld als nervig und langweilig. Und so ist es hier wie bei anderen Dingen des Lebens auch, dass man den notwendigen Mittelweg finden muss und das ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen.

T wie TAR:

Drei Buchstaben die für ein einzigartiges Abenteuer stehen. Der TAR ist viel mehr um es in Worte zu fassen, den TAR muss man erleben.

U wie Uta:

Die gute Seele der TAR- Familie. Mit Sicherheit war der TAR eine enorme Belastung für sie und ihren Ehemann Heinrich Albrecht, hängt doch von Erfolg und Misserfolg alles für das unternehmerische Vorankommen ab. Und trotzdem hat man Uta immer lächeln gesehen. Sie war immer für uns da und fand egal wie stressig es gerade war, immer die passenden Worte für uns. Danke Uta, dass Du immer für uns da warst und uns so gut in Deine/Eure TAR- Familie aufgenommen habt.

V wie Vögel:

Ja, auch davon gab es genügend. Und damit meine ich nicht unsere gefiederten Freunde. Es waren bunte Vögel und Paradiesvögel unterwegs. Lustige und manche auf die man gut und gerne verzichten hätte können. Auch unter der Zivilbevölkerung gab es vereinzelte, die scheinbar einen Vogel hatten. Mein besonderes Exemplar ist eine Bäuerin die sich bei mir eingeprägt hat und einen ganz großen Vogel hatte. Am ersten Anstieg auf einer Asphaltstraße als das Feld noch ziemlich zusammenhing, war es der Wunsch der Mitvierzigerin diese Straße bergab zu befahren. Soweit so gut, dies war an allen Tagen kein Problem. Wenn es enger wurde hielten die Autofahrer an, an anderen Stellen wichen wir Läufer aus. Alles unter dem Motto der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das war allerdings ein Fremdwort für diese Dame. Mit offenem Fenster schrie diese ihren Unmut über die Veranstaltung aus dem Fenster hinaus und preschte auf uns Läufer mit erhöhter Geschwindigkeit zu. Das hätte es in diesem Fall wirklich nicht gebraucht.

 Andererseits müssen wir uns aber an unsere eigene Nase fassen. Bei allem Wettkampfgedanken müssen wir immer noch genügend Zeit aufbringen, vorher geschlossene Gatter und Zäune nach dem durchschreiten auch wieder zu schließen. Es kann nicht angehen, dass diese Grundstücksbesitzer uns über ihre Felder und Almen laufen lassen und durch unser Fehlverhalten Schaden durch entlaufene Tiere erleiden. Wir sind von de Freiwilligkeit der Einheimischen abhängig.

W wie Wetter:

Trailrunning ist eine Outdoor-Sportart. Nur wird sich diesem Umstand bewusst ist, kann mit Sonne, Wind, Regen oder Schnee gleichermaßen umgehen. Natürlich ist es schöner im Sonnenschein bei angenehmen 15 Grad zu laufen, aber diese Idealbedingungen finden wir nicht häufig vor. Wer diese Tatsachen nicht akzeptieren kann, der möge sich eine Indoor-Sportart aussuchen. Auch eine Kritik bei Streckenänderungen ist an dieser Stelle nicht angebracht. Der Streckenchef ist für die Sicherheit verantwortlich. Er muss entscheiden was möglich ist und was nicht. Kritik ist an dieser Stelle unangebracht, denn sollte es zu einem witterungsbedingten Unfall kommen, dann muss genau dieser gescholtene Streckenkoordinator dafür gerade stehen.

X wie Xundheit:

OK, dies entspricht nicht der deutschen Rechtschreibung, aber die Gesundheit ist doch am Ende das Wichtigste. Nur wer von Anfang an wirklich gesund ist, sollte sich auf diese Abenteuer einlassen. Es bringt weder Euch noch Eurem Teampartner etwas, wenn Ihr Euch auf Biegen und Brechen durch diese Veranstaltung schleppt.

Y

Z wie Zeit:

Abgesehen von den Cut-Off-Zeiten ist die Zeit an sich das unwichtigste dieser ganzen Woche. Lasst Euren Alltag zuhause und nehmt Euch die notwendige Zeit diese Woche voll und ganz aufzusaugen. Je mehr wertvolle Zeit ihr für diese Erfahrung nutzt, umso länger habt Ihr die Möglichkeit von diesen Eindrücken zu zerren.

 

Christian Mayer