Carbon-Laufschuhe im Trailrunning: Was kann das, was soll das, brauchen wir das?

Carbon-Laufschuhe im Trailrunning © scott-sports.com / xc-run.de

Carbon-Laufschuhe – der Effekt der starren Platten in den Mittelsohlen wird von vielen Laufenden fast schon mystisch überhöht. Kein Wunder: Im Straßenlauf gibt es keine nennenswerten Erfolge mehr, ohne Carbon-Schuhe. Aber was heißt das fürs Trailrunning? Wir erklären euch die Hintergründe und stellen die Vor- und Nachteile an vier Schuhen aus unserem aktuellen Test-Sortiment dar.

Was ist Carbon?

Was wir Carbon nennen, ist eigentlich „kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff“, also ein Verbundwerkstoff, bei dem Kohlenstofffasern in eine Kunstharzstruktur eingebettet sind. Dieser Werkstoff zeichnet sich – einfach gesagt – durch hohe Stabilität bei geringem Gewicht aus. Deshalb werden z. B. hochwertige Rennräder seit Jahren nahezu nur noch aus Carbon gefertigt, anstatt aus Stahl oder Aluminium.

Was sind Carbon-Laufschuhe?

Bei Durchbiegung einer Carbon-Platte springt sie sofort wieder in die ursprüngliche Position zurück. Die Energie wird zurückgegeben und es entsteht ein Federeffekt. Wenn solche Platten also in Laufschuhen – genauer gesagt in den Mittelsohlen – verbaut werden, geben sie bei jedem Schritt Energie zurück. Es wird daher weniger Muskelenergie für schnelle Läufe benötigt. Hersteller experimentieren dabei sowohl mit der Form der Platte(n), der Positionierung im Schuh, der Sprengung, der Kombination mit weichen Materialien, und dergleichen mehr.

Der wohl bekannteste Carbon-Laufschuh ist der Vaporfly von Nike, mit dem Eliud Kipchoge 2017 beinahe die 2h-Marathon-Marke knackte. Elite-Läufer*innen sind in dem Schuh 3-4% schneller als mit regulären Schuhen. Der Leichtathletik Weltverband hat daraufhin sogar spezielle Regeln zum Einsatz von Carbon-Platten erlassen.

Wie verändern Carbon-Schuhe die Lauf-Performance?

Obwohl schon seit den 1990ern mit Carbon-Platten experimentiert wurde, brachte der Nike Vaporfly es erstmals so bedingungslos auf den Punkt. Der Schuh ist extrem hart, die unflexible Sohle hält die Zehengelenke steif und spart daher auch Energie, die sonst beim Abrollen der Zehen eingesetzt wird. Außerdem wird das in-den-Boden-greifen der Zehen verhindert. Diverse Studien belegen, dass diese Schuhe die individuelle Laufökonomie verbessern. Im Ergebnis geht zwar viel Gefühl fürs Terrain verloren, aber die Schuhe laden extrem dazu ein, richtig Tempo zu machen.

Das fehlende Gefühl für den Untergrund ist für viele Trailrunner*innen ein Minuspunkt. Ein zweiter Nachteil dieser Technologie ist aber auch für das Laufen auf der Straße ernstzunehmen: Achillessehne und Wadenmuskulatur werden durch die starren Platten stark beansprucht, was das Verletzungsrisiko steigen lässt. Und die verbesserte Laufökonomie wirkt sich vor allem bei hohen Geschwindigkeiten aus. Je langsamer wir laufen, desto geringer der Effekt – während die Beanspruchung Achillessehne und Wadenmuskulatur bleiben.

Wer sich intensiver mit den Folgen und Hintergründen von Carbon-Laufschuhen beschäftigen möchte, wird schnell ziemlich tief in die Biomechanik des Laufens eintauchen. Das ist zwar höchst interessant, aber auch ziemlich komplex.

Carbon-Schuhe im Trailrunning

Was heißt das nun alles fürs Trailrunning? Mittlerweile gibt es auch in unserem Sport diverse Modelle mit Carbon-Platten. Wir stellen euch vier Modelle von unterschiedlichen Herstellern vor und vergleichen die Vor- und Nachteile. Dezidierte Besprechungen findet ihr natürlich in den einzelnen Schuhtests.

The North Face Flight Vectiv

Die erste Brand, die sich an das Thema Carbon-Schuhe im Trailrunning wagte, war The North Face. Bereits im Jahr 2021 brachten sie den mit Spannung erwarteten Flight Vectiv auf den Markt, der uns in Sachen Performance sofort überzeugte. Die Carbonfaserplatte mit 6mm Sprengung und dem relativ leichten Gewicht, machen den Schuh für Ultraläufer interessant. Vorausgesetzt das Gelände ist nicht zu schwierig. Auf verwinkelten, technischen Trails hatten wir mit dem Flight Vectiv unsere Probleme und oftmals das Gefühl aus den Kurven getragen zu werden. 

UVP: 200 €

Gewicht: 275 g (43)

Sprengung: 6 mm

HOKA Tecton X

2022 kam mit dem Tecton X der lang erwartete Carbonschuh von HOKA in die Läden, er uns in Sachen Lauffreude und Performance die Freudentränen in die Augen trieb. Der Schuh schaffte es auf Anhieb in die Liste der besten Trailschuhe 2022 und wurde zur klaren Empfehlung der xc-run.de Testredaktion. Für laufbare Strecken bis hin zur Ultradistanz, gab es unserer Meinung nach keinen wettkampftauglicheren Schuh. Ähnlich wie der Flight Vectiv hatten wir mit dem Tecton X aber Probleme im technischen Gelände. Steile Downhills mit vielen Richtungswechseln und engen Kurven mochte er nicht so gerne.

UVP: 210 €

Gewicht: 240g (43)

Sprengung: 5 mm

Scott Ultra Carbon RC

Auf der ISPO im Herbst 2022 präsentierte uns Scott einen Carbon-Trailrunningschuh. Die Schweizer legten ihre ganze Expertise in den Schuh und entwickelten für die Carbonplatte ein Schwalbenschwanz-Design, das eine natürliche Entkoppelung von Vorderfuss und Ferse erlaubt. Dadurch ist der Schuh im Gegensatz zu den genannten Vorgängern eine echte Waffe im Downhill. Der Läufer behält hier eine natürlichere Dynamik bei, während die Effizienz der Karbontechnologie aufrechterhalten wird. Das Gefühl des „aus der Kurve getragen werdens“ ist hier also passé.

Kritikpunkt beim Scott Schuh ist das hohe Gewicht. Durch die Rocker Technologie und die Carbon-Platte rollt der Schuh gut in der Ebene und bergab, für sportliche Bergaufläufe sind uns die 320 g aber etwas zu viel.

UVP: 230 €

Gewicht: 320g (43)

Sprengung: 5 mm

 

Scarpa Golden Gate Kima RT

Nach mehr als zweijähriger Entwicklungs- und Forschungsarbeit unter der Leitung von Marco De Gasperi liefert Scarpa mit dem Golden Gate Kima RT den nächsten Carbonschuh für Trailrunner. Der Fokus liegt auf technischen Bergultras und diese DNA zeigt der Schuh auch ganz klar, gegenüber den bisherigen Modellen. Ein aggressives Profil und guter Schutz für die Zehen machen den Golden Gate Kima RT zum flotten Skyracer. Dieses Plus an Schutzfunktionen bezahlt man mit einem, zum HOKA Tecton X, deutlich höheren Gewicht. Jede Menge Spaß macht der Golden Gate Kima aber trotzdem. 

UVP: 199 €

Gewicht: 330g (43)

Sprengung: 6 mm 

ON bringt mit dem Cloudventure Peak 3 den nächsten Carbonschuh im Trailrunningbereich auf dem Markt. Die Testschuhe sind bereits auf dem Weg in die xc-run.de Redaktion und wir werden natürlich berichten…