Alternativtraining im Winter: ZWIFT

ZWIFT: Beispiel Workout © Christian Mayer

Für Sommersportler gibt es in der kalten Jahreszeit wohl nichts drängenderes als die Suche nach der passenden Sportbetätigung im Winter, um gut vorbereitet und ohne Einbußen in die neue Saison starten zu können. Dabei bieten sich mit Tourengehen, Langlauf in sämtlichen Variationen oder auch Schneeschuhgehen viele unterschiedliche Alternativen für den Laufsport. Und auch im Indoor- Bereich gibt es sehr gute Möglichkeiten (siehe 10-minutes-a-day) um sich optimal vorzubereiten.

Da ich bis jetzt zumindest noch kein Freund des Wintersports bin, ist es für mich natürlich doppelt schwer den Trainingszustand zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern. Zu meinem persönlichen Glück fällt im näheren Umkreis zu meinem Wohnort der Winter meistens ins Wasser, so dass ich ein verhältnismäßig gutes Lauftraining durchziehen kann. Daneben besuche ich gerade an extrem ungemütlichen Tagen ein Fitnessstudio auf und kümmere mich um das im Sommer sehr oft vernachlässigte Rumpf- und Koordinationstraining. Zusätzlich verbringe ich ca. 150 bis 200 km die Woche im Sattel meines Rennrades und erkunde dabei die weiten Welten von Watopia.

Die weiten Welten von was? Watopia? Wer oder was ist das?

Watopia ist eine von zwei möglichen Trainingswelten auf der Trainingsplattform von Zwift.

Die Trainingsplattform Zwift

Aber was ist nun schon wieder dieses Zwift?

Zwift ist die derzeit am meisten genutzte Software für das Rollentraining mit dem Rad. Im nun folgenden Artikel möchte ich sowohl Zwift, als auch die dafür notwendige Ausstattung etwas näher beleuchten.

Dank Zwift gehören die Zeiten, in denen man in seinem finsteren Keller auf dem Rennrad saß und langweilige Grundlagenausdauereinheiten absolvierte, nun endlich der Vergangenheit an. Denn die Macher dieser einzigartigen Software haben es geschafft, ein unterhaltsames Videospiel mit einem ernsthaftem Trainingsmodul zu verbinden. Das im Jahr 2014 in Long Beach (Kalifornien) gegründete Unternehmen kann mittlerweile über eine Million Nutzer weltweit vorweisen und auf den einzelnen Trainingsstrecken ist man eigentlich nie alleine unterwegs. Selbst Radprofis und Triathleten lassen sich mittlerweile zu den Nutzern von Zwift zählen und sind oftmals auf gemeinsamen virtuellen Ausfahrten zu finden.

Die ersten Ausfahrten

Nach der Installation der Software kann es Dank eines kostenlosen 30- tägigen Testzeitraums gleich losgehen. Zunächst einmal werden für die spätere Trainingssteuerung die unterschiedlichen persönlichen Daten wie zum Beispiel Gewicht, Größe, Alter etc. abgefragt. Aufgrund der Vielfalt der einzelnen Trainingsmöglichkeiten dauert es ein bisschen, bis man sich in diesem Programm zurechtfindet. Und selbst nach Wochen der intensiven Wochen lernt man immer wieder etwas Neues hinzu. Um eine Trainingseinheit zu starten, wählt man zunächst aus, in welcher Umgebung man trainieren möchte. Hier gibt es zum einen „Watopia“ und zum anderen täglich wechselnde, aber nach einem Kalender wiederkehrende reell vorhandene Austragungsorte unterschiedlicher Radrennen. Dazu zählen London, Richmond, Innsbruck und auch New York. Watopia dagegen ist eine rein virtuelle Welt, die aber von den Machern sehr nah an tatsächlich vorhandene Begebenheiten entwickelt wurde. So kann man zum Beispiel Bergetappen wie bei der Tour de France bewältigen, oder aber durch die Weiten der amerikanischen Prärie ein Tempotraining absolvieren. Zu Beginn ist man aufgrund der Auswahlmöglichkeit gut bedient, so dass man sich eine Strecke seiner Wahl je nach Entfernung, Höhenmeter und zur Verfügung stehender Zeit auswählt und unterhaltsame Minuten und Stunden im Sattel verbringt. Zu Beginn lässt man sich viel zu oft vom Tempo der vielen anderen Fahrer mitreißen, so dass man seinen persönlichen Rhythmus erst noch finden muss. Neben den Werten von Watt, Herzfrequenz, gefahrener Kilometer und Höhenmeter findet man weitere interessante Hilfestellungen. Das Programm errechnet zum Beispiel die ideale Entfernung zu weiteren Fahrern, um sich im Windschatten an diese hängen zu können. Während der Fahrt überquert man des Öfteren virtuelle grüne Linien. Diese markieren den Beginn von Strava- Segmenten, auf diesen man sich mit den anderen Fahrern messen kann. Auch ansonsten wird sehr schnell klar, dass die beiden Unternehmen Zwift und Strava sehr stark miteinander verbunden sind. Absolvierte Trainings werden nach Freigabe automatisch auf die Strava- Plattform hochgeladen und veröffentlicht.

Der vorhandene Videospiel- Charakter wird dadurch verstärkt, dass man nach jedem gefahrenen Kilometer 20XP- Punkte erhält. Weitere Punkte erhält man für die Beendigung eines kompletten Kurses, oder aber als Belohnung für besondere Einzelleistungen. Mit diesem gesammelten Punkten kann man sich dann jederzeit in der virtuellen Zwift- Garage sein Rennrad verbessern und aufbauen, oder aber seine eigene persönliche Bekleidung durch schöne Accessoires verschönern. Und selbst navigieren kann man auf diesen eigentlich festgelegten Kursen. Diese Möglichkeit bietet sich den Fahrern, die ihr Training auf einem Smartphone oder einem anderen Gerät mit Touch- Display steuern und neben dem radeln über genügend Fingerfertigkeit verfügen, um diese Richtungsänderungen zu bedienen. Auch unterschiedliche Interaktionen mit anderen Fahrern sind jederzeit möglich. Da für mich bei dieser Software aber der Trainingscharakter im Vordergrund steht, überlasse ich diese Interaktionen den anderen Fahrern und konzentriere mich voll und ganz auf die gesteuerte Durchführung der einzelnen Trainingseinheiten.

Das Workout

Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase in der ich erste Strecken gefahren bin, möchte ich die einzelnen Trainingsmöglichkeiten genauer betrachten. Zu Beginn einer Trainingsphase ist es besonders wichtig seinen persönlichen FTP- Wert zu kennen. Zwift bittet dafür insgesamt drei unterschiedliche Tests an, unter anderem einen Stufentest, bei dem der Widerstand jede Minute um 20 Watt erhöht wird. Hat man diesen Wert ermittelt, dann kann man mit dem Training beginnen. Dafür stehen einzelne Workouts, oder aber auch zielgerichtete Trainingspläne mit einem Umfang von mehreren Wochen zur Verfügung. Da ich in der kalten Saison ausreichend freie Trainingszeit habe, habe ich mich für den Trainingsplan „Build me up“ entschieden. Dieser geht über einen Zeitraum von 12 Wochen und benötigt im Schnitt 5 Stunden Trainingszeit in der Woche. Da ich im Allgemeinen mindestens 10 h in der Woche trainiere, lässt sich dieser gut integrieren und meine geschundene Läufer- Sehnenstruktur wird es mir vermutlich danken. Den FTP- Stufentest habe ich realistisch durchgeführt (Ich habe mich weder hängen gelassen, noch habe ich auf Biegen und Brechen versucht, einen höheren Wert zu erzielen) und kann mich somit über einen Wert von 206 Watt „erfreuen“. Die Freude jedoch währt nur von kurzer Dauer. Diejenigen, die der Meinung sind, dass dieses Computergesteuerte Training relativ locker sein muss, den lade ich auf eine kleine Kostprobe zu mir nach Hause ein. Schon bei den ersten Workouts merke ich, dass dieses Training sehr ernsthaft aufgebaut ist. Natürlich absolviere ich jedes Workout komplett und natürlich kommt auch der Spaß nicht zu kurz, allerdings vergeht kaum ein Tag, an dem ich meine geforderte Beinmuskulatur nicht bemerke.

Die Workouts bestehen aus einer Aufwärmphase, die meistens mit drei Sprints beendet wird. Anschließend schließt sich die Trainingsspezifische Phase mit unterschiedlicher Intensivität und Länge an. Dabei werden zum Beispiel die Fähigkeiten der Grundlagenausdauer oder auch die im oberen Spitzenbereich trainiert. Diese mittlere Phase ist in kürzere Abschnitte unterteilt um die Anpassung der Muskulatur zu fördern. Beispielhaft ein kurzer Überblick:

4 min bei 185 Watt mit 90 Umdrehungen

1 min bei 115 Watt mit 85 Umdrehungen

4 min bei 185 Watt mit 60 Umdrehungen

1 min bei 115 Watt mit 85 Umdrehungen

4 min bei 185 Watt mit 90 Umdrehungen

1 min bei 115 Watt mit 85 Umdrehungen

Diese Abschnitte werden mehrmals durchgeführt. Wurde ein Abschnitt korrekt durchgeführt, so wird dieser mit einem Stern markiert. Nur wenn man für dieses jeweilige Workout alle Sterne gesammelt hat, wird diese Trainingseinheit als komplett absolviert vermerkt.

Jedes Workout endet mit einer fünf bis siebenminütigen Cool- Down- Phase. Um ein eventuelles Übertraining zu vermeiden, werden diese Workouts erst zielgerichtet freigeschaltet. Diese müssen anschließend bis zu einem ebenfalls vermerkten Zeitpunkt absolviert werden. Ich befinde mich nun in der zweiten Trainingswoche, freue mich auf die nächsten Einheiten und bin gespannt, welchen FTP- Wert ich nach dieser 12- Wochen Phase erzielen kann.

Zwift- Community

Alleine ist man auf diesen Strecken nie unterwegs und die Schar der Fahrer ist immer bunt gemischt. Da ich sehr oft zu einer wenig christlichen Uhrzeit zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr unterwegs bin, habe ich die Erfahrung gemacht, dass zu dieser Uhrzeit sehr viele Neuseeländer und auch viele Radler aus dem asiatischen Raum unterwegs sind. Dies liegt vermutlich daran, dass aufgrund der Zeitverschiebung diese gerade ihren wohlverdienten Feierabend für eine Runde Zwift nutzen.

Von Zeit zu Zeit gibt es auch Zwift interne Ausfahrten, bzw. ernsthafte Rennen an denen man sich beteiligen kann. Häufig werden die Fahrer dabei in leistungsbezogene Gruppen zwischen A und D aufgeteilt. Dabei sind die Fahrer der D- Gruppe eher die gemütlichen Ausfahrer. Bei einem FTP- Wert von mindestens 3,2 Watt/kg Körpergewicht wird man der Leistungsgruppe B zugeordnet und zählt zur ambitionierten Amateurklasse und bei einem Wert ab 4,0 Watt/kg zählt man offiziell zum Profibereich A auf Zwift.

Zwift bietet aber auch Freunden und Bekannten die Möglichkeit, sich für gemeinsame Ausfahrten zu verabreden und einen Kurs oder eine Strecke gemeinsam zu fahren.

Kosten

Viel zu schnell endet natürlich der Probezugang und ab diesem Zeitpunkt wird der ganze Spaß zahlungspflichtig. Derzeit kostet ein Monat Mitgliedschaft in Deutschland 15,- Euro.

Benötigte Hardware

Um Zwift nutzen zu können gibt es drei unterschiedliche Möglichkeiten in verschiedenen Preissegmenten:

Einfache Rolle

Die preiswerteste Lösung und zugleich die Mindestvoraussetzung für den Betrieb von Zwift ist die einfache Rolle. Diese gibt es mit einem festen oder einem einstellbaren Widerstand. Um den manuell regulierten Widerstand übertragen zu können, benötigt man einen ANT+ oder Bluetooth Trittfrequenzmesser und einen Geschwindigkeitssensor. Bei diesen einfachen Rollen kann der Widerstand durch Zwift nicht beeinflusst werden.

Smarttrainer mit Hinterrad

Wie bei den einfachen Rollen wird auch hier das ganze Rad mit dem Hinterrad in den Trainer eingespannt. Um den Verschleiß etwas zu minimieren gibt es spezielle Reifen für das Rollentraining. Diese Smarttrainer sind mit einer ANT+ oder Bluetooth Schnittstelle ausgestattet, so dass der Widerstand direkt durch Zwift eingestellt werden kann. Gerade bei anspruchsvollen Strecken mit vielen unterschiedlichen Steigungen ist die Zwift gesteuerte Widerstandseinstellung von Vorteil. Diese Smarttrainer mit Hinterrad liegen im mittleren Preissegment.

Smarttrainer ohne Hinterrad

Die Luxusvariante sind definitiv die Smarttrainer mit Direktantrieb. Dabei wird das Rad ohne Hinterrad mit Hilfe einer Steckachse am jeweiligen Trainer angebracht. Diese Preiskategorie beinhaltet einen Trittfrequenz-, Geschwindigkeits- und Leistungsmesser. Diese Smarttrainer sind extrem leise und gerade in sehr hellhörigen Wohnungen zu empfehlen. Neben Steigungen bis zu 25% können diese auch Gefälle bis zu 18% und verschiedene Bodenbeschaffenheiten simulieren. Allerdings befinden wir uns bei dieser Ausstattung in einem hohen dreistelligen bis zu einem niedrigen vierstelligen Preissegment.

Bluetooth – HF- Brustgurt

Neben dieser Ausstattung empfiehlt es sich einen Bluetooth- HF- Brustgurt zu tragen, da dieser direkt mit Zwift verbunden werden kann und somit eine Trainingssteuerung mit Hilfe der Herzfrequenz erfolgen kann.

Fazit:

Ich habe mich für die Luxusvariante mit einem Tacx Neo 2 Smart Trainer entschieden und bereue diese Entscheidung in keinster Weise. Gerade bei Workouts ist diese Variante sehr benutzerfreundlich. Man setzt sich auf das Rad, startet das Training und alles weitere regelt der Smart Trainer. Aufwendige Einstellungen während der Einheit sind nicht notwendig.

Aber Vorsicht, der Suchtfaktor beim Smart Trainer im Zusammenhang mit Zwift hat einen sehr hohen Suchtfaktor!

Chrisitan Mayer

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