Wie anstrengend können 45 Kilometer mit rund 1.000 Höhenmeter im Hügelland rund um Stockholm schon sein? An einem Hitzerekordwochenende: ziemlich. Das liegt auch am Naturell des EcoTrail Stockholm, der sehr andere Anforderungen stellt, als zum Beispiel aus den Bergen gewohnt – und der die ökologische Nachhaltigkeit nicht nur im Namen trägt.
Das Setting ist ungewohnt. Kurz mit der U-Bahn zur Stockholmer Universität fahren, dann noch rund 1 km durch die umliegenden Wiesen – und schon ist man am Start. Wer noch grüner mit dem Fahrrad anreisen möchten, kann das Bike vor Ort sogar noch warten lassen. Noch stadtnäher und trotzdem grün kann man es sich nicht wünschen. Genau das ist der konzeptuelle Kern der EcoTrail-Rennen, die Trailrunning-Strecken in Stadtumgebung bieten und damit den Nachhaltigkeitshebel beim größten Verursachern von CO2 bei Laufveranstaltungen ansetzt: der An- und Abreise. Passend zum Konzept gibt es auch zur Startnummer keinerlei Brimborium: keinen Beutel, keine Testprodukte, keine Werbung.
Aber kann der EcoTrail Stockholm tatsächlich auch Trail? Und wie Eco ist er unterwegs?
Schöner wohnen

Die 45 km Strecke startet um 10:30 und vorne wird gleich ein hohes Tempo vorgelegt, auch wenn hier niemand klassisch losballert. Ich halte erstmal mit, lasse mich dann aber etwas zurückfallen. Zu groß ist der Respekt vor der Temperatur. Zumal es keine nennenswerten Anstiege geben wird. Wir werden konstant laufen und vor uns hin hügeln. Kein luftiger Gipfel mit kühler Luft… Das wird an den Kräften zehren.
Aus dem hübschen Park wird schnell ein Pfad, es kommt ein See mit einem durchaus verkrakselten aber liebevoll gescouteten Singletrail. Aus Vorgärten kommen aufmunternde Worte – glaube ich, es klang jedenfalls nett – bevor es in eine kleine Bullerbü-Kolonie geht. Es wechseln sich kurze Asphaltstellen an teils großen Landstraßen mit pittoresken Waldpfaden und klassischer Schwedenidylle ab. Unglaublich, wie naturnah und bildhübsch man hier teilweise wohnen kann.
Verlockendes Grasbett
Dass der Lauf semi-selbstverpflegt sein wird, wurde zum Glück transparent kommuniziert. Die ersten Getränke gibt es bei Kilometer 14, dann bei 23. Snacks erst bei Kilometer 26 – und die sind wirklich nicht mehr als Snacks. Für eine Marathondistanz ist das schon hart.
So schön und abwechslungsreich der Lauf auch ist, so anstrengend wird es irgendwann. Die urbanen Teile tragen wenig zur Motivation bei, die Hitze drückt, die Energie schwindet – und die nächste saftig grüne Wiese werde ich bestimmt nutzen, um einfach eine Runde zu schlafen.

What?! Was passiert da im Kopf bei einem vergleichsweise „kurzen“ Rennen? Der Magen möchte einfach keine Riegel, Gels oder Isodrinks mehr haben. Dass wir 8,5 Kilometer vor Ende nochmal durch den Start-Ziel-Bereich laufen, macht das Steckergezogengefühl nicht besser. Wohl aber die kalte Wasserschlauchdusche und der Liter Wasser – ohne Iso – der den Magen wieder entklebt.
Also: letzte Runde. Größtenteils Gravel- und Wirtschaftswege. Bisschen Trail noch. Da wir schon länger mit den anderen Distanzen reuniert sind, überhole ich jetzt beständig Läuferinnen und Läufer, bevor wir für den Zieleinlauf noch einen letzten Hügel hoch und zum Zielbogen runter laufen. Reicht dann auch für heute.
Mit der wirklich schönen Holzmedaille um den Hals hole ich mir eine Art vegetarischen Falafel-Wrap – passend zum nachhaltigen Konzept die offizielle Nachverpflegung – und dann ab in den Schatten.
Hat der EcoTrail Stockholm nun abgeliefert?

Spaß gemacht hat es, nett und unkompliziert war es auch. Im Zielbereich wäre zumindest ein Hauch von Begeisterung im Publikum schön gewesen – aber das notieren wir einfach mal als schwedische Zurückhaltung.
Die Nähe zur Stadt zahlt man natürlich mit – naja – Nähe zur Stadt. Die teils bezaubernd schönen Trails wurden nicht nur mit Asphalt, sondern eben auch urbaner Verkehrsinfrastruktur bezahlt, durch die man immer wieder läuft. Die spartanische Verpflegung ist per se kein Problem, da sie ja angekündigt war. Aber bei einem EcoTrail kann ich mir sehr gut etwas nachhaltigere und lokale Snacks vorstellen. Hat im Ziel ja auch prima geklappt, wo es nur frisch zubereitete vegetarische Wraps gab – kein Fleisch und keine unzähligen in Plastik einzelverpackten Häppchen.
Das grüne Konzept wird in Zukunft hoffentlich noch stärker ausgebaut und dann noch mehr Strahlkraft in Zeiten einer immer dramatischer werdenden Klimakatastrophe entwickeln. Und wer ohnehin in der Gegend ist oder einen Urlaub mit der Veranstaltung verknüpfen kann, wird hier auch läuferisch Spaß haben und nebenbei Stockholms Umgebung aus einer Perspektive erleben, die sonst nur Locals haben können.