Monte Rosa Skymarathon: Epischer Lauf zur Capanna Margherita

Johannes Schmid und Markus Mingo am Wendepunkt des Monte Rosa Skymarathons - der Margheritahütte (4554m)

„Schon mal jemand an einem Vormittag von Alagna (1192m) zur Signalkuppe (4554m) hoch und wieder runter gerannt? Ich schon!“ Markus Mingo berichtet von seinem Bergabenteuer im „Team Gamsbock“ zusammen mit Johannes Schmid beim Monte Rosa Skymarathon.

Was hatte ich mir nur bei diesem Rennen gedacht?

Höhentraining im Vorfeld, Anreise von 10h für ein verlängertes Wochenende und dazu hochalpines Gelände für das mir jegliche Erfahrung fehlte. Dazu eine Wettervorhersage, die es in sich hatte: Gewitter, Regen und heftiger Schneefall auf über 3000m. Was hatte ich mir nur bei diesem Rennen gedacht?

Hatte ich mich überschätzt?

Alagna Valsesia ein Traum für Bergliebhaber: Uralte Häuser aus Steinblöcken und Holz gebaut, Bergwände ringsum und dazu diese charmante Mischung eines italienischen Bergdorfes mit Walser Wurzeln. Flach geht hier nicht und so hat bereits der erste kurze Lauf nach der Ankunft über 1000 Höhenmeter. Was uns am Renntag erwarten sollte ist einfach nur unvorstellbar brutal: 3500 Höhenmeter Anstieg auf 17km Strecke – und dasselbe zurück. Um die Steilheit des Geländes zu verstehen, nehmen wir einmal einen „normalen Berglauf“ wie den „Kine vom Kaitersberg“. Hier sind auf 8km, etwa 550m im Anstieg zu bewältigen. Das bedeutet von Alagna auf die Capanna Margherita (4554m) sind bei doppelter Strecke, die siebenfachen Höhenmeter eines Kaitersberglaufes zu bewältigen – unfassbar hart, aber machbar. Was mir dann doch den Atem nahm und mich etwas weiß um die Nasenspitze werden ließ war unsere Akklimatisierungstour auf die Gnifetti Hütte (3645m) am Freitag. Das hier war kein Abenteuerspielplatz mehr mit Wurzeltrails und Wanderwegen. Wir befanden uns im hochalpinen Gelände, mit Schnee, Eis, heftigen, kalten Böen, Spalten und Gefahren, die nicht mit ein paar Schürfwunden enden würden. Zudem ging der Atem schwer und das leichte Schwindelgefühl machte die Koordination beim Laufen im technischen Gelände nicht leichter. Hatte ich mich überschätzt?


Monte Rosa Skymarathon 2019: Gnifetti Hütte

Enttäuschung am Samstagmorgen

Samstagmorgen um 5:30 Uhr dann die Rennabsage. Wegen zu viel Neuschnee, schlechter Sicht und Gewittergefahr wurde auf den nächsten Tag verschoben. Was macht man, wenn man früh morgens fertig gepackt und Rennbereit in einem italienischen Bergdorf steht? Laufen natürlich! Es fand sich eine illustre 6er-Gruppe um Eva, Johannes und mich, die sich den ersten Teil der Wettkampfstrecke ansah. Immer wieder faszinierend wen man bei diesen Veranstaltungen so trifft: Da war Christoph Salcher, Sieger des Mount Elbrus Laufes und doppelter Gewinner der Vertical Up Serie, der uns von seinem Vorhaben einer Speedbegehung des Peak Lenin im August erzählt. Oder Adi Zurbrügg und Chris Moser, zwei bärenstarke Läufer und erstklassige Alpinisten aus der Schweiz, die für nächstes Jahr als „Nebenprojekt“ die Seven Summits planen. Die sieben höchsten Gipfel der Alpen in nur sieben Tagen zu besteigen. Das Starterfeld war elitär. So viele zähe Waden, wettergegärbte Gesichter und durchtrainierte Körper hatte ich bisher noch bei keiner Veranstaltung gesehen. Kurz: Die Athleten hier wussten allesamt was sie taten. Auch deshalb waren die Italiener bei der Pflichtausrüstung eher laissez faire: Kontrolliert wurde nicht, aber wer bei VP1 keine Steigeisen anlegte oder bei VP2 kein Seil, Gurt und Klettersteigset dabeihatte durfte eben nicht weiterlaufen und wer über 4000m keine Handschuhe oder Windjacke anzog musste eben (er)frieren.

Monte Rosa Skymarathon 2019

Hier findet ihr eine Übersicht meiner verwendeten Ausrüstung

Skymarathon am Sonntag

Traum Bergwetter sollte uns am Sonntag am Monte Rosa erwarten. Das bedeutet zwar immer noch -4 Grad und eisige Winde auf über 4000m, dafür aber auch strahlender Sonnenschein, beste Sicht und milde Temperaturen in den niedrigeren Lagen. Dieci, nove, otto, sette… BAAM! 400 Bergsportler aus aller Welt schießen aus dem Startblock und nach einer „Entzerrunde“ durch Alagna geht es sofort in den Anstieg. Die ersten 1200 Höhenmeter zur Bocchetta delle Pisse (2396m) laufen gut, wir finden unseren Rhythmus und sortieren uns unter den ersten 20 Teams des Feldes ein. Ab dann heißt es Grödel überziehen und rein in den Schnee. Ab Indren (3260m) wird es hochalpin und aus Sicherheitsgründen muss man den Rest der Strecke in Seilschaft laufen. Die Szenerie wirkt irgendwie surreal: Gruppen von Bergsteigern bewegen sich mit Bergführer, Steigeisen, Pickel und 30l Rucksack in Richtung Gipfel. Wir überholen sie im Laufschritt mit leichtem Gepäck, Longsleeve und Turnschuhen und werden dabei frenetisch angefeuert und immer weiter nach oben gepushed. Mein „Grazie“ kommt meist nur noch gehaucht über die Lippen, fällt das Atmen auf Grund der Höhe schon sehr schwer. Die Aussicht ist einfach nur phänomenal: Umgeben von zahlreichen 4000er Gipfeln befinden wir uns vis-a-vis mit dem Matterhorn, der Doufurspitze und aller 4000er im Wallis. Sogar der Blick auf den Mont Blanc ist frei. Gigantisch! Beim finalen Anstieg vom Colle del Lys (4250m) zur Capanna Margherita (4554m) wird es allerdings eng für mich: Der Atem geht schnell, die Beine sind bleischwer – die Höhe schlägt gnadenlos zu. Nach 4:07h sind wir als achtes Team am Gipfel. Hier heißt es abklatschen und auf gleichem Weg zurück.

Was jetzt folgt ist einfach nur verrückt. 192 Teams und viele geführte Touren kommen uns entgegen und wir versuchen auszuweichen. Das Seil zwischen Johannes und mir, sowie die fehlende Koordination und der Schwindel durch die ungewohnte Höhe machen die Sache nicht besser. Alle paar Meter liege ich auf der Nase, rapple mich hoch und laufe irgendwie weiter. Nach ein paar hundert Höhenmetern bin ich wider etwas klarer im Kopf, tue mich aber auf Schnee und Eis nach wie vor schwer. Meine Qualitäten im Downhill und mein Selbstvertrauen in meine läuferischen Fähigkeiten haben durch die vielen Stürze ziemlich gelitten und so verlieren wir bis Bocchetta delle Pisse (2.396m) viele Minuten und einige Plätze. Erst mit festem, schneefreiem Boden unter den Füßen „fange“ ich mich wieder und wir laufen die letzten 1000 Höhenmeter juchzend und freudestrahlend nach Alagna.

Am Ende steht der 10. Gesamtrang mit einer Zeit von 6:04h und der unbändige stolz dieses Bergabenteuer als Team Gamsbock zusammen mit Johannes Schmid gemeistert zu haben. Wir hatten gerade eine 3-Tages-Hochtour in 6 Stunden absolviert und waren gesund und pünktlich zum Mittagessen wieder zu Hause.

Im Großen und Ganzen der brutalste, radikalste aber auch spektakulärste und intensivste Lauf meines Lebens, der mich an meine alpinistischen und mentalen Grenzen gebracht hat.

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