Die Kilian Jornet Foundation trägt nicht nur den klangvollsten Namen im Trailrunning – Kilian Jornet – sondern ist auch eine der prominentesten Stimmen, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit in die Berge und auf die Trails zu bringen. Eines ihrer zentralen Instrumente: das Green Trail Konzept. Eine Kooperation mit dem legendären Zegama-Aizkorri-Rennen soll das Konzept von der Konzeptphase in die Anwendung bringen. Wir haben nachgefragt, was das genau heißt.
„Ein Meilenstein für nachhaltiges Trailrunning“ – so wird die Kooperation selbstbewusst genannt. Wir wollten mehr über diesen Meilenstein wissen und haben uns mit Laura Viñals Rotellar, Projektmanagerin und Kommunikationsmanagerin der Kilian Jornet Foundation, zusammengesetzt und viele Details über das Konzept, die Kooperation und die potenzielle Bedeutung für Nachhaltigkeit bei Trail-Rennen erfahren.
Laura, bevor wir zum eigentlichen Thema kommen – wie war das Jahr bisher für dich und eure Arbeit an der Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Trailrunning?
Laura: Bisher war es wirklich gut – und schon ziemlich arbeitsreich mit vielen Projekten. Neulich waren wir zum Beispiel mit einigen Kollegen in La Cerdanya, wo sich unser Team oft trifft und wo Killian geboren und aufgewachsen ist. Ich habe in dieser Gegend schon viele Veränderungen erlebt, zum Beispiel, dass diese Berge im Winter früher noch schneebedeckt waren, jetzt aber nicht mehr. Und dann schneit es plötzlich im März wie verrückt. Es ist schockierend, diese Veränderungen innerhalb eines einzigen Lebens zu erleben. Man muss nur vor die Tür treten und sieht sie deutlich. Deshalb tun wir, was wir tun. Die Veränderungen können nicht mehr geleugnet werden.

Wenn die Menschen schockiert sind, wachen sie vielleicht auf und erkennen, dass etwas getan werden muss …?
Laura: Vielleicht, aber es ist kompliziert, weil die Menschen oft nicht wissen, wie sie mit diesen Veränderungen umgehen sollen. Deshalb versuchen wir, diese Lücke zu schließen. Wir sammeln Wissen aus wissenschaftlichen Projekten und anderen Initiativen und übersetzen das dann in umsetzbare Erkenntnisse für die Gemeinden und die Gesellschaft insgesamt.
Ein Beispiel für diesen Ansatz ist eure Zusammenarbeit mit dem Zegama-Aizkorri-Rennen. Was genau beinhaltet diese Zusammenarbeit? Die Leute haben vielleicht von eurem Green Trail Concept gehört und kennen natürlich das Rennen, aber was bedeutet diese Zusammenarbeit konkret?
Laura: Das Green Trail Konzept ist ein europäisches Projekt, das auf drei Jahre angelegt ist. Das Hauptziel besteht darin, ein Zertifizierungssystem für Trailrunning-Rennen zu schaffen, das den Übergang zu einer nachhaltigeren Organisation erleichtert. Diese Zertifizierung basiert auf einer Online Plattform, auf der unterschiedliche Indikatoren eingegeben werden, um die Nachhaltigkeit nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht zu bewerten.
Wir befinden uns jetzt in der Endphase des Projekts, weshalb Zegama im perfekten Zeitpunkt dazu gekommen ist. Seit fast anderthalb Jahren arbeiten wir mit ihnen an der Verfeinerung der Indikatoren. Sie haben bereits viel für die ökologische Nachhaltigkeit und das Engagement der örtlichen Gemeinschaft getan. Zegama ist ein wichtiges Rennen mit starken Auswirkungen auf die Gemeinde vor Ort, aber ohne eine große Unternehmensstruktur im Hintergrund. Dies macht es zu einem idealen Testfeld, um die Zertifizierung so zugänglich und breit anwendbar wie möglich zu gestalten.
Wir haben 67 Indikatoren in den Bereichen ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit festgelegt. Zegama hat bereits die Selbstbewertungsphase durchlaufen und alle erforderlichen Fragen beantwortet. Jetzt werden wir beim Rennen testen, wie das Tool bei der Bewertung von Echtzeitdaten funktioniert. Anschließend werden wir die Auswirkungen nach der Veranstaltung analysieren, um das Zertifizierungsmodell zu optimieren.

Darüber hinaus dient die Zusammenarbeit auch dem Zweck, andere Laufveranstaltungen zu inspirieren und einzubinden. Wir möchten zeigen, dass es bei diesem Tool nicht darum geht, Läufe zu prüfen oder zu bestrafen, sondern sie in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Viele Organisationen leisten bereits großartige Arbeit, verstehen diese Schritte aber oft nicht als Maßnahmen zur Nachhaltigkeit. Dieses Tool hilft dabei sichtbar und messbar zu machen, was bereits gut ist, und gleichzeitig Bereiche mit Verbesserungspotenzial aufzuzeigen.
Wenn ich das richtig verstehe, besteht das Projekt also aus drei Phasen. Zunächst werden die Indikatoren definiert, diese dann in einem realen Szenario getestet – was ihr gerade mit Zegama macht –und in einem dritten Schritt wird Zegama als Fallstudie genutzt, um anderen zu zeigen, dass es machbar und nützlich ist.
Laura: Genau! Bis Dezember wird das Projekt abgeschlossen sein, und ab Januar 2026 wird das Tool für alle verfügbar sein. Dann können wir mit Zuversicht sagen: „Hier ist ein Weg, der auf gründlicher Forschung und Praxistests basiert, einschließlich der Erkenntnisse vom Zegama-Aizkorri Rennen.“
Was hat Zegama in Bezug auf Nachhaltigkeit bereits getan, das dich positiv überrascht hat? Viel zu oft enden Nachhaltigkeitsbemühungen ja schon damit, dass keine Plastikbecher bereitgestellt werden oder vielleicht noch einen Rabatt auf öffentliche Verkehrsmittel angeboten wird. Das reicht aber nicht aus, wenn man es mit Nachhaltigkeit ernst meint.
Laura: Mehr als jede einzelne Maßnahme hat uns überrascht, wie viel sie insgesamt schon machen, ohne es als „Nachhaltigkeit“ zu bezeichnen. Sie haben beispielsweise starke soziale Initiativen ins Leben gerufen, diese aber nicht ausdrücklich als Teil der Nachhaltigkeit verstanden. Indem wir die Indikatoren mit ihnen durchgingen, halfen wir ihnen, ihre bestehenden Bemühungen zu kategorisieren und zu strukturieren. Es passiert oft, dass Organisatoren großartige Dinge tun, aber ihre Wirkung nicht systematisch bewerten. Die Zertifizierung wird dazu beitragen, Verbesserungen sichtbar zu machen und Jahr für Jahr zu verfolgen.
Wenn andere Veranstalter interessiert sind, das Tool „Green Trail“ anzuwenden, benötigen sie dann eure Hilfe, um den Zertifizierungsprozess abzuschließen, oder können sie dies selbstständig tun?
Laura: Es wird zwei Optionen geben. Da es sich um ein europäisches Projekt handelt, werden wir zwei bis drei Jahre lang eine Version zur Selbstbewertung kostenlos zur Verfügung stellen, damit sich jedes Rennen selbst bewerten kann. Wir werden auch eine zertifizierte Version anbieten, bei der unser Team die Prüfung und Validierung übernimmt. Ziel ist es, das Konzept so zugänglich wie möglich zu gestalten und gleichzeitig eine hohe Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Rennveranstalter, die die Bewertung abschließen, erhalten außerdem maßgeschneiderte Empfehlungen zur Verbesserung.

Ein potenzielles Problem für die Organisatoren werden die Ressourcen sein – sowohl finanzielle als auch zeitliche. Auch wenn die Teilnahme kostenlos ist, nimmt sie dennoch Zeit in Anspruch. Wie anspruchsvoll wird der Prozess sein?
Laura: Das ist eine Schlüsselfrage. Viele Nachhaltigkeitszertifizierungen erfordern einen enormen Zeitaufwand. Wir möchten das vermeiden. Der Prozess sollte so schlank wie möglich sein und dennoch einen Mehrwert bieten. Die Organisatoren müssen den Nutzen erkennen. Wir arbeiten auch mit wichtigen Akteuren in der Trailrunning-Welt zusammen, um die Bedeutung nachhaltiger Veranstaltungen zu erhöhen. Die geprüfte Version wird zwar mit gewissen Kosten verbunden sein, aber wir gestalten sie so, dass der Aufwand für die Organisatoren so gering wie möglich bleibt.
Wenn ich über potenzielle Erstanwender nachdenke, sehe ich drei Gruppen: kleine Rennen ohne kommerzielle Interessen, große kommerzielle Rennen und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Rennen wie EcoTrail. Welche Gruppe siehst du als erste Zielgruppe?
Laura: Sie sind alle wichtig, aber unser erstes Ziel ist es, Läufe zu gewinnen, die sich noch nicht auf Nachhaltigkeit konzentrieren. Trailrunning ist unglaublich vielfältig und die Herausforderung besteht darin, das Tool für alle zugänglich und relevant zu machen. Deshalb suchen wir auch Partnerschaften mit Gruppen wie Natura 2000, die sich für die Standardisierung von Umweltvorschriften einsetzen. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass das Tool in verschiedenen Ländern und Kontexten anwendbar ist.
Hand aufs Herz: Können große, kommerzielle Rennen jemals wirklich nachhaltig sein? Veranstaltungen wie der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) bringen Tausende von Menschen in kleine Städte und stellen massive Anforderungen an Infrastruktur und Ressourcen. Können sie realistisch gesehen Nachhaltigkeitsstandards erfüllen, oder müssen wir akzeptieren, dass sie das nie werden?
Laura: Das ist die große Frage. Die Herausforderung liegt nicht nur in der Menge der Läuferinnen und Läufer, sondern auch in der Größe des Publikums, der Medienpräsenz und des Gesamtfußabdrucks. Diese Rennen bringen oft auch wirtschaftliche und soziale Vorteile für die lokalen Gemeinden mit sich, die nicht ignoriert werden dürfen. Einige Städte florieren aufgrund dieser Veranstaltungen. Der Schlüssel liegt darin, die Organisation zu überdenken – also die Umweltbelastung zu begrenzen und gleichzeitig die positiven sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu maximieren. Es gibt keine einfache Ja- oder Nein-Antwort, aber wir glauben, dass Nachhaltigkeit möglich ist, wenn man sie mit Bedacht angeht. Genau das ist das Ziel der Kilian Jornet Foundation.