Nachhaltigkeit im Trailrunning: Es tut sich was, aber wann kommt der große Wurf? - xc-run.de Trailrunning

Nachhaltigkeit im Trailrunning: Es tut sich was, aber wann kommt der große Wurf?

Nachhaltigkeit kommt endlich auch im Trailrunning an. Nicht nur als gefühltes Gerne-in-der-Natur-sein, sondern strategisch und analytisch. Das ist auch dringend nötig – denn viele der bisherigen Konzepte springen deutlich zu kurz und sprechen nicht die eigentlichen Knackpunkte an. Aber welche Maßnahmen haben wirkliche Hebelwirkung? Und wie drastisch müssen Veränderungen sein, damit sie mehr als wohlfeile Absichtserklärungen sind?

Sommerzeit ist Reisezeit – auch im Trailrunning. Es ist unsere liebste Jahreszeit, wenn all das Training in wunderbare Wettkämpfe und Community-Treffen mündet. Sommer, Sonne, Trail-Idylle. Das Wetter wird halt immer unbeständiger – von Hitzeschlacht beim Zugspitz Ultratrail (ZUT) bis zum durchnässten Transvulcania – aber das Ding mit dem Klimawandel und der Klimakrise haben wir ja jetzt verstanden, oder?

Oder?!

Und wir agieren jetzt auch entsprechend, oder?

Oder?!

Nun ja…eigentlich…nicht. Denn das meiste CO2 – was der primäre Klimakiller ist – steckt nicht in den Plastikbechern, die weggelassen werden, sondern fällt bei den An- und Abreisen zu unseren Veranstaltungen an. Das fällt besonders ins Gewicht, wenn es um international zugkräftige Events geht wie dem ZUT, dem ohne Flugzeug quasi nicht zu erreichende Transvulcania, oder dem Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB).

UTMB for the planet

Im Juni dieses Jahres hat der UTMB in einer international angesetzten Pressekonferenz seine Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt. Glaubt man dem Mission Statement, hat die es in sich:

„UTMB will achieve the extraordinary and become the pinnacle of sustainable excellence in trail running, engaging beyond our core stakeholders in a quest for regeneration. UTMB will use its scope of influence to implement and showcase a regenerative economy, for the environment and for the people.“

Klingt stark. Und wer genau hinsieht, sieht sogar das Wort „regenerativ“. Wie wir in „Was heißt Nachhaltigkeit im Trailrunning?“ erklären, ist das ein – extrem notwendiger – Schritt darüber hinaus, nur keinen noch größeren Schaden anzurichten. Wenn ein Schwergewicht wie der UTMB sich so hinter Nachhaltigkeit stellt, hat das Gewicht.

Wenig überraschend haben die UTMB-Leute beim Erstellen einer Datenbasis festgestellt, dass der größte CO2-Ausstoß nicht während, sondern vor und nach der Veranstaltung verursacht wird – nämlich zu fast 90 %. Und zwar durch die Anreisen und Abreisen. So weit so bekannt.

Und ohne die umfangreichen und sehr wichtigen Bemühungen des UTMB kleinreden zu wollen: die abgeleiteten Schritte sind zwar wunderschön in ihrer digitalen Broschüre bebildert und mit Buzzwords ausstaffiert, genügen dem selber postulierten Anspruch aber nicht. Während der Präsentation heißt es, dass der verursachte CO2-Ausstoß des UTMB bis 2030 um 20 % reduziert werden soll. Dass das viel zu wenig ist, soll jetzt mal nicht das Thema sein.

Passieren soll die Reduktion vor allem über Aufklärung und verpflichtende Kompensationszahlungen bei Flugreisen. Wird das für die geplanten 20 % ausreichen? Unwahrscheinlich – selbst wenn man an die kompensierende Wirkung des investierten Geldes glaubt. Was hingegen klappen würde: 20 % weniger Leute anreisen lassen. Oder die Punktelogik verändern, bei der sich Athletinnen und Athleten über internationale Rennen qualifizieren und dafür zusätzliche Flüge buchen. Das wäre drastisch, aber auch wirksam.

Statt nun so radikal dem eigenen Mission Statement zu folgen, führt das Konzept diverse Punkte auf, wie dass zum Beispiel beim Doi Inthanon Thailand recycelte Event-Shirts aus dem Vorjahr zu Medaillen gemacht wurden. Gute Idee – aber das entspricht nicht mal dem CO2-Ausstoß eines einzelnen Fernflugs zum Event. Und ob die weiterhin geplant bestehenden 80 % der CO2-Emissionen, die Jahr für Jahr neu entstehen, durch Kompensationsaktivitäten aus der Atmosphäre gezogen werden, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Das ganze Konzept kann hier runterladen werden.

Trotzdem und nochmal ganz deutlich: Dass sich der UTMB so laut zu Nachhaltigkeit und Regeneration bekennt, ist großartig. Es schafft mehr Sichtbarkeit und hoffentlich auch Bewusstsein bei Trailrunnern. Dafür sollte man den Entscheider*innen dankbar sein.

Hilfe zur Selbsthilfe für nachhaltige Anreisen

Die meisten von uns fliegen zum Glück nicht aus Australien oder Nordamerika Richtung Chamonix, sondern fahren z. B. aus Deutschland mit dem Auto zu Wettkämpfen in die Alpen. Ja, mit dem Auto, denn Anreisen per Zug sind immer dann am kompliziertesten, wenn die Zielregion schön aber abgelegen ist. Es sind die berühmten letzten Kilometer, die es oft verdrießlich machen. Dabei könnte man doch die letzten Kilometer auch in Fahrgemeinschaften erledigen. Einfach auf der Veranstaltungs-Homepage eine MfG-Börse einrichten. Vielleicht fährt ja jemand entweder aus meiner Gegend, oder kam mich zwischendurch aufsammeln. Das würde die Nachhaltigkeit stärken – und den Community-Gedanken sowieso.

Falls jemand eine Veranstaltung kennt, die ein solches Angebot hat: Bitte in die Kommentare schreiben. Mir ist leider keine bekannt.

Immerhin: Ein erstes Angebot in diese Richtung gibt es vom Deutschen Alpenverein (DAV): Moobly – die „Mitfahrzentrale für die Berge“. Ob die App Mitfahrgelegenheiten anbieten wird, die spezifisch für unsere Veranstaltungen mit ihren teils abgelegenen Startorten und ungewöhnlichen Zeitplänen schaffen, bleibt abzuwarten.

Wie es nicht geht

Ich habe kürzlich bei einer wunderbaren, kleinen Veranstaltung mit weniger als 20 Teilnehmenden angefragt, ob jemand aus meiner Richtung anreisen würde und das Orga-Team in diesem Fall einfach meinen Kontakt weiterleiten könnte. Kein Auto, Anreise per Bahn, Tal leider nicht gut angebunden.

Reaktion: „Das können wir aus Datenschutzgründen nicht machen.“ What?! Da hat also jemand Nachhaltigkeit UND Datenschutz UND Community-Building UND Service nicht verstanden. Ist sicher nicht der Standard und wurde mit etwas Konversation auch noch bestens gelöst – aber es illustriert vielleicht, warum wir beim Thema Nachhaltigkeit im Trailrunning oft noch immer nur bis zu den Plastikbechern an Verpflegungsstationen denken.

Wie man es richtig macht

Kürzlich hat der wunderbare U. Trail Lamer Winkel gepostet, dass sie leider keine Discounter-Kuchen haben werden, sondern von den lokalen Bäckereien gebackene Leckereien. Das freut das Schlemmerherz – es zeigt aber auch zwei Dimensionen der Nachhaltigkeit, die ganz nonchalant bedient werden: Es wird lokal produziert statt (inter)national transportiert – was CO2 spart – und nebenbei auch die lokale Wirtschaft unterstützt. Super! Das macht der Canyons Endurance Run übrigens auch, wie der UTMB betont.

Der Austragungsort Lam ist übrigens auch mit dem Zug zu erreichen. Nicht ganz einfach, aber es geht.

Alternative: Stadtnahe Veranstaltungen

Stadtnahe Veranstaltungen wie die EcoTrail-Serie, das Salzburg Trailrun Festival oder der Ultra Trail Fränkische Schweiz sind mit den Öffentlichen wunderbar zu erreichen. Das ist für die CO2-Bilanz hervorragend, wenn wir die Bahn dann auch nutzen. Aber leider hat keines dieser Rennen echte Berggipfel oder lange Natureinsamkeit. Und das vermissen die meisten von uns dann doch irgendwann.

Bessere Karten haben hier zum Beispiel der Zugspitz Ultratrail, das Innsbruck Alpine Trailrun Festival, oder der mozart 100: einfache ÖPNV-Anreise, großes Panorama und tolle Veranstaltungen.

Wo stehen wir also im Sommer 2025?

Nichtstun und ständige Whataboutism-Ausflüchte bringen gar nichts. Wir können und wir müssen alle etwas tun.

Aber es sind halt auch die Veranstaltungen und Organisationen in der Pflicht. Und um die geht es in diesem Artikel. Der UTMB geht es richtig an, erst eine Datenbasis zu schaffen und dann die größten Hebel anzusprechen. Hoffen wir, dass den ambitionierten Worten auch ambitionierte Taten folgen. Und dass kleinere Veranstaltungen in ihrem Möglichkeitsrahmen kritisch checken, wie radikal ihre Maßnahmen sein können, ohne dass die Veranstaltung kaputt gemacht wird – und welche Low Hanging Fruits parallel und einfach mitgenommen werden können.

Spannend werden auch die Kooperationsergebnisse der Kilian Jornet Foundation mit den Veranstaltern des Zegama-Aizkorri Rennens. Die Details dazu findet ihr im Interview, die Auswertung können wir demnächst erwarten.

Wie man es alternativ auch machen kann, zeigt die not-for-profit Gravel Bike Serie Orbit360. Die Veranstalter weisen explizit darauf hin, dass trotz internationaler Beteiligung an der zentralen, mehrtätigen Bikepacking-Veranstaltung nicht mit dem Flugzeug angereist werden soll. Parallel wird übrigens gerade auch eine Trailrunning-Serie organisiert, die natürlich auch ganz auf Nachhaltigkeit setzt.

Es tut sich was. Und Dranbleiben können wir ja ganz gut.

Tobias Gerber

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