Trailrunning ist kein Sport. Es ist ein Lebensgefühl. Und wenn du dieses Gefühl irgendwo besonders intensiv erlebst, dann im Val di Zoldo beim Dolomiti Extreme Trail – kurz DXT. Hier trifft italienische Lebensfreude auf alpine Ernsthaftigkeit, hier jubeln Kinder in den Gassen wie in einem Champions-League-Finale, hier feiert ein ganzes Tal seine Berge – und dich gleich mit.
Samstag – Racemode on
Die Anreise? Sagen wir mal… episch. Vom Bayerischen Wald ins Herz der Dolomiten – ein bisschen so, als würde ein Berliner zum U.TLW reisen und in Lam feststellt: „Ah, hier beginnt also das Ende der Welt.“ Nur, dass es danach erst richtig losgeht. Enge Kurven, enge Dörfer – aber am Ende öffnet sich das Tal wie ein Vorhang und man steht plötzlich mittendrin im Trail-Paradies.
Val di Zoldo, Freitag, 22 Uhr. Wir rollen ein und das Adrenalin schießt sofort hoch. Musik wummert, ein DJ legt auf, hunderte Stirnlampen flackern durch die Nacht. Start des 103K – und wir mit unserem Bus mittendrin im Trailfestival beim DXT.
Ich darf am Samstagmorgen um 9 Uhr ran: 35 Kilometer, 2.300 Höhenmeter, eine neue Strecke, die bei der Premiere sofort ausverkauft war. Schon nach dem ersten Kilometer durchs Dorf wird klar – das hier ist kein Sonntagsausflug. Ein giftiger Anstieg mit 1.000 Höhenmetern begrüßt uns wie ein strenger Bergführer: „Nur die Harten kommen hier hoch.“
Ich reihe mich irgendwo um Platz 3 oder 4 ein. Das Tempo? Ambitioniert. Aber ich bleibe cool. Kein Überpacen, kein Harakiri. Im zweiten Anstieg bei Kilometer 20 setze ich dann die Attacke – und sie sitzt. Ich ziehe vorbei, baue den Vorsprung aus und bringe ihn mit richtig starker Zeit ins Ziel.
Ritterschlag im Herbst der Sportlerkarriere
Ich gewinne. In Italien. Im Geburtsland des Skyrunning. Als Ausländer. In einem Land, in dem Kinder gleich nach „Mama“ „Vertical Kilometer“ sagen können.
Was für mich sonst oft „nur“ persönliche Genugtuung ist, wird hier zelebriert: Glückwünsche, Preise, Schulterklopfen, als hätte ich gerade den Giro d’Italia gewonnen. Anders aber auch schön: Beim DXT gibt es keine Altersklassen. Nur die fünf schnellsten Männer und Frauen werden geehrt – dafür umso ausgiebiger. Und ich bin einer von ihnen. Das fühlt sich an wie ein Ritterschlag mit Wanderstock.
Sonntag – Genusslauf: One for the show
Und jetzt? Beine hoch? Cappuccino? Falsch gedacht. Der Dolomiti Extreme Trail bedeutet ein ganzes Wochenende lang Trail-Fest. Sonntag stehen die 22K mit 1.100 Höhenmetern an. Im Trailrunning eine Kurzstrecke, aber mit viel Charakter – wie ein Espresso doppio.
Coach Andi sagt: Lauf locker. Kein Rasen. Trainingsreiz, nicht Podium.
Okay. Challenge accepted.
Das ist vielleicht die höchste Kunst der Trainingsdisziplin im Ausdauersport: In einem Rennen absichtlich nicht das Letzte aus sich rauszuholen, um im Hinblick auf spätere Saisonhighlights nicht zu überziehen und die richtigen Reize zu setzen. Anfangs mental fordernd, später großartig! Statt Tunnelblick gab’s Weitwinkel. Statt Laktat: Latte-Macchiato-Vibes.
Ich beobachte andere Läufer, grüße Zuschauer, quatsche an den Verpflegungspunkten und esse am Gipfel gemütlich einen Riegel – ein echter Wettkampf-Luxusmoment. Die Beine danken es mir, das Herz sowieso. Nach 2:15 Stunden rolle ich glücklich über die Ziellinie. Keine Schmerzen, nur Freude.
Fazit: Zwei Modi, ein Erlebnis
Der Dolomiti Extreme Trail hat mir gezeigt, dass Trailrunning mehr ist als nur Zeiten und Platzierungen. Es ist Rennmodus und Genussmodus. Es ist Highspeed und Slowmotion, Wettkampf und Wanderung, Adrenalin und Amore.
Ich durfte beides erleben – am gleichen Wochenende. Und ich will beides nicht missen.
Grazie, DXT. Du bist wirklich… extrem wundervoll.