Wintersaison bedeutet für Trailrunner viel Alternativtraining. Statt langer Läufe stehen Skitouren oder ausgedehnte Langlauf-Einheiten auf dem Programm. Dazwischen sorgt Krafttraining dafür, stark und verletzungsfrei in die neue Saison zu starten. Lässt sich das alles auch kombinieren? Und vielleicht sogar im Wettkampfmodus? Unser xc-run.de Athlet Michael Förster hat die Antwort bei HYROX gefunden.
Raus aus der Komfortzone – rein in die HYROX-Zone
Tief verschneit präsentiert sich Davos in meinem Wohnzimmerfenster. Es ist Weihnachten. Ich scrolle gerade durch meinen WhatsApp-Feed. Zwischen vielen Festtagsgrüßen entdecke ich Karins Nachricht.
„Anfang Februar ist HYROX in St. Gallen. Hast du Lust auf ein Double?“
Vor einigen Jahren hatten wir mal darüber gesprochen. HYROX. Das bedeutet 8×1 Kilometer Indoor laufen und dazwischen Kraftübungen an acht unterschiedlichen Stationen. Ich schnappe mir meine Trailschuhe, ziehe die Spikes drüber und gehe erst mal laufen. Viele Gedanken konkurrieren um meine Aufmerksamkeit. Nur sechs Wochen Vorbereitung. Erschwerend kommen noch einige Dinge dazu. Richtiges Laufen ist hier oben im Winter kaum möglich. Auch den schweren Schlitten kann ich nur unzureichend simulieren. Na und. Habe ich es jemals bereut, etwas Neues auszuprobieren? Die Komfortzone zu verlassen? Immerhin ist es in der Halle nicht so kalt wie gerade in meinen nassen Schuhen. Ich sage zu. Aber das wusste ich eigentlich auch schon vor den ganzen Überlegungen.
Begegnung mit der Vergangenheit
Samstagvormittag. Die Olma Messehalle in St. Gallen ist bereit für unser Event. Heute ist alles anders. Kein Bergpanorama. Kein Bergpanorama, kein Winterwonderland – ganz anders als sonst am Renntag. Ich muss in meiner Erinnerung dreißig Jahre zurückgehen. Zu meinen letzten Indoor-Wettkämpfen. Auch das Publikum ist anders als sonst. HYROX ist ein Laufwettkampf mit Kraftelementen. Insgesamt acht Kilometer muss jeder rennen. Trotzdem sehen die meisten Teilnehmer mehr nach Hantelbank als Tartanbahn aus. Auch das erinnert mich an frühere Zeiten. Schliesslich habe ich einen Großteil meiner Jugend im Gym verbracht.
Die acht Disziplinen sind ähnlich einem Fußballfeld mittig in der Halle angeordnet. Die Laufbahn führt entsprechend einer Stadionrunde außen herum.
Taktik und WarmUp
In der Warm-Up-Zone finden wir alle Stationen des Wettkampfs zur Vorbereitung. Skierg und Rudermaschine von Concept2. Kettlebell, Sandsack und den gefürchteten Sled. Je fünfzig Meter Schieben und Ziehen warten auf uns. Der ca. 40kg schwere Schlitten wird dabei mit 75 bzw. 125kg Zusatzgewicht beladen. Wir haben hierzu viel recherchiert. Gleitwiderstand des Teppichs, Technik und Taktik. Nun können wir es endlich ausprobieren. Und sind froh, dass der Schlitten sich bewegt.
Karin und ich starten im Double Mixed. Das bedeutet, wir laufen gemeinsam. Dürfen uns aber bei den Übungen abwechseln. Dabei ist die richtige Strategie gefragt. Auch hierzu ist YouTube voll von Tutorials. Wir simulieren einige Wechsel und einigen uns grob darauf, wann wir übergeben werden. Im Zweifel können wir uns ja etwas zurufen. Ich hoffe, das klappt auch bei Puls am Anschlag und voll im Laktat.
Racemode is on
Unser Startblock geht kurz nach Mittag ins Rennen. Passenderweise im Tunnel. Denn in diesem werden wir uns gleich befinden. Das Tempo ist zügig, aber kontrolliert. Die Musik ist laut, die Zuschauer auch. Die Bahn ist bereits gut gefüllt. Trotz einer Fast Lane müssen wir immer wieder im Zickzack überholen. Der Racemode ist aktiviert. Die Halle kocht. Alles treibt uns an. Am meisten mein Schuh – Puma Deviate Nitron Elite 3. Die harte Carbonplatte verlangt Vortrieb. Nach drei Runden dürfen wir durch das gelbe Tor. In die RoxZone.
Der SkiErg wartet. Als Langläufer freuen wir uns auf das Doublepoling. Je 500 Meter. Und wieder auf die Laufbahn. Der Unterschied zu Runde 1 ist sofort spürbar. Etwas zu viel Laktat. Doch es läuft gut. Nun wartet der Schlitten. Warum habe ich im Gym nicht mehr Kniebeugen gemacht? Meine Quads brennen. Karin gibt alles. Wir wechseln öfters als vereinbart. Eine Runde später dann der Pull. 4×12,5m. Done! „Das Schlimmste ist geschafft“, rufe ich ihr zu. Karin kämpft sich auf der Laufbahn zurück. Und revanchiert sich bei ihrer Paradedisziplin, den Burpees mit Sprüngen. Rudern fordert wieder die Quads. Der Farmers Carry mit zwei 24-kg-Kettlebells fordert Core, Trapezius und Griffkraft. Die Sandbag Lunges wieder die Beine. Noch eine Runde Laufen. Und es läuft.
Hätte ich mir vorher eine Übung aussuchen können, ich hätte für die Wall Balls votiert. 100 tiefe Kniebeugen mit einem 6kg Ball, um diesen an der höchsten Position auf ein Feld zu werfen. Drei Dinge waren plötzlich anders. Beine und Schultern waren blau. Die Zielplatte für Männer war höher als meine Simulation in der Vorbereitung und der Ball etwas schwerer. Unzählige ungültige Versuche sind das Resultat. Ich bekomme immer weniger um mich herum mit. Wieviele Bälle haben wir schon? Wie viele brauchen wir noch? Ich verstehe die Zurufe des Referees nicht mehr. Wechsle ich richtig? Symptomatisch will ich bei 99 loslaufen. Karin bringt den hundersten Ball ins Ziel und uns daraufhin auch. Die Kraft reicht gerade noch für ein gebücktes High Five.
Nach einigen Minuten können wir uns sogar wieder unterhalten. Wir sind uns einig. Mega cool. Mega hart. Wiederholung? Ganz sicher!