Arberland Ultratrail: Heimspiel mit leeren Akkus

22.09.2018 ARBERLAND Ultra Trail: Markus Mingo, Team xc-run.de © Felgenhauer / xc-run.de

Was würde sich besser für einen Saisonabschluss anbieten als der Arberland Ultratrail? Der Zeitpunkt Ende September ist optimal: Start- und Zielbereich nur 30 Fahrminuten von meiner Haustür entfernt, zahlreiche Bekannte und Freunde an und neben der Strecke und ein Großteil der Trails in meinem Trainingsgebiet. Nach dem Sieg über 60k (2016) und 35k (2017) wäre 2018 konsequenterweise die 16k Strecke an der Reihe gewesen. Doch der neu konzipierte Arberland Trail mit 64k und 2700 Höhenmetern war einfach zu reizvoll – um ihn nicht zu laufen.

Auftakt im Hohenzollern Skistadion

Die Vorbereitung war eher suboptimal. Ich bin ein großer Fan des Wechsels zwischen Spannung und Entspannung und nach dem Transalpine Run vor zwei Wochen gab ich dem Körper erst einmal das, was er brauchte: Ruhe und Essen.

Das Trainingstagebuch hatte in den letzten zwei Wochen eine MTB Tour und ein lockeres Läufchen zu verzeichnen und ein Blick auf die Waage zeigte vier Kilo mehr als vor dem TAR – ja, ich habe die letzten Tage wahrlich nicht mit Kuchen und Schokolade gespart. Trotzdem fühlte ich mich gesund, ausgeruht und vor allem vollkommen verletzungsfrei als ich mich, begleitet durch den Spielmannszug Zwiesel, aus dem Hohenzollern Skistadion am Großen Arbersee auf die fast sechsstündige Reise machte. Schon am ersten Anstieg merkte ich, dass ich mich täuschen sollte: Die Beine schwer, die Akkus leer und der Kopf nicht bereit sich wirklich auf einen Wettkampf einzulassen. Im Downhill schießt mir kurz durch den Kopf, dass die 16k heute wohl doch gereicht hätten aber im Skistadion angekommen fasse ich neuen Mut. Die neue Location wurde von den Veranstaltern gut gewählt und gepusht von Moderation und Zuschauern geht es nach einer Ehrenrunde wieder hinaus in den Woid.  Der folgende Trail zur Regenhütte lässt Trailrunnerherzen höherschlagen: Schmal und verwinkelt geht es über Wurzeln und Steine den Regen entlang bis VP2 (25k). Hier zweifle ich ein bisschen an meinem Verstand. Vor mir plötzlich Läufer, die eigentlich deutlich hinter mir liegen sollten. Black out? Halluzinationen? Abgekürzt!

Flasche leer

Hier muss ich nichts beschönigen: Ich spüre die lange Saison und die Strapazen der Vorwochen allzu deutlich und fühle mich wie „Flasche leer“. Die langen Schotterabschnitte machen die Beine nicht leichter, der ganze Bewegungsapparat ist irgendwie stumpf gelaufen – es fehlt jegliche Elastizität in Muskeln und Gelenken –  und jede Aufprallerschütterung geht durch Mark und Bein. Ich überlege ernsthaft den Tag auf der 41k Strecke etwas früher zu beenden. Die unbändige Lauffreude, die mich sonst zu Höchstleistungen antreibt fehlt komplett und ich stelle mir die Frage, die ich selbst schon so oft beantworten musste: „Warum tue ich mir das an?“ Einziger Lichtblick auf diesem Abschnitt ist Martin Mühlbauer, der mich bei 31k und 36k mustergültig versorgt und anschließend sogar ein paar Meter neben mir her läuft. Durch seine Motivation und Ablenkung verpasse ich auch den Abzweig der 41k Strecke ins Skistadion und beschließe, zumindest bis zur Klause (48k) durchzuziehen.

Ein Flow zur rechten Zeit

Das Schöne am Ultralaufen ist: Nach jedem Tief kommt ein Hoch (spätestens im Ziel zumindest)! Ob es nun am netten Plausch an der VP, am leckeren Riegel oder am Wechsel von Schotter- auf Waldweg lag – plötzlich geht es wieder leichter. Die Freude kehrt zurück und nach wenigen hundert Metern den Hochfall hinauf befinde ich mich im regelrechten Flow. Ich bin unendlich glücklich hier gesund und schmerzfrei meiner großen Leidenschaft nachgehen und durch diese grandiose Landschaft laufen zu dürfen. Fast vergesse ich, dass ich mich in einem Wettkampf befinde und lasse meinen Gedanken freien Lauf: Die Saison 2018 zieht an meinem geistigen Auge vorbei und ich erinnere mich an die schönen Ausflüge und zahlreichen wunderbaren Stunden auf Trails. Angefangen vom Training auf Langlaufskiern, der harten WM Vorbereitung mit erfolgreichen Rennen beim Thermenmarathon in Bad Füssing, dem Silberhüttentrail oder dem Chiemgau Trailrun. Dann der Auftritt im Nationaltrikot beim Penyagolosa Trail in Spanien gefolgt von einem Abstecher ins Ötztal zum neu konzipierten Stuibentrailrun oder dem mystischen Nachtlauf am Großglockner. Anfang September natürlich die sieben unvergesslichen Tage im Leadertrikot beim Transalpine Run und jetzt der Arberland Ultratrail zum Saisonabschluss.

Gelungener Abschluss einer Traumsaison

Ziel war es, den Lauf zu genießen, gesund anzukommen und die Wettkampfsaison inmitten zahlreicher Freunde und Bekannte zu beenden – und genau das würde ich nun tun. Wie auf Stichwort erreiche ich den Goldsteig – einen meiner Lieblingstrails im Bayerischen Wald und laufe spielerisch in Richtung Kleiner Arber. Sogar die steile Himmelsleiter zaubert mir ein breites Grinsen ins Gesicht und der trockene Kommentar von Kathi am Arbergipfel („Markus, a Sprint is des heid oba ned vo dir“ lässt mich noch einmal herzlich lachen, bevor es in den anspruchsvollen Downhill in Richtung Arbersee geht. Auch hier Freude pur: Nichts tut weh am Ende dieser langen, langen Saison. Getopt wird das Ganze nur vom Zieleinlauf, wo mich die komplette Familie erwartet und Veronika und Paul die letzten paar hundert Meter neben mir her joggen. Am Ende stehen 63 Kilometer, 2690 Höhenmeter, der dritte Platz und eine Zeit von 5:56h. Chapeau vor der Leistung von Stefan Lämmle, der mir hier ordentliche neun Minuten aufgebrummt hat. Aber auch das hat mir ganz gut getan nach der ganzen Lobhudelei in Folge des Transalpine Run.

Das Leben ist schön – und man muss nicht immer siegen um beim Trailrunning zu gewinnen!

Arberland Ultratrail: Fazit zur Veranstaltung

Die Veranstalter haben den mutigen Schritt weg von Bodenmais und hin zum Hohenzollern Skistadion am Großen Arbersee gewagt. Dies hat sich meiner Meinung nach ausgezahlt: Die Location ist prädestiniert für Sportveranstaltungen dieser Größenordnung. Die Expo bot alles was man auf diesen Veranstaltungen sucht und von Startnummernausgabe über Umkleiden, Toiletten und Start- Zielbereich waren die wichtigsten  Anlaufstellen in unmittelbarer Nähe. Ein starker Moderator begleitete die Veranstaltung vom ersten Startschuss bis zur Siegerehrung und gab dem Event einen hochprofessionellen Anstrich. Schöne Idee war die Fasssauna und der aufgebaute Swimmingpool, der bei gutem Wetter mit Sicherheit noch ausgiebiger genutzt worden wäre. Markenzeichen des Arberland Ultratrail sind aber die vielen netten Helfer und die üppig bestückten Verpflegungsstationen, die dem Event eine familiäre Wärme geben und über manches Tief hinweghelfen. Toll auch die Idee (Gratis-)Kuchen und Bratwürste für die Zuschauer an den VPs bereitzuhalten. Die Markierung war meiner Meinung nach ausgezeichnet und besonders die 30cm über den Boden ragenden roten Fähnchen gut zu sehen. Wie man sich hier verlaufen konnte ist mir ein Rätsel. Eine besonders gute Idee, an der sich aus umweltschutzgründen auch andere Veranstaltungen orientieren sollten war das Trinkglas als Zielgeschenk. Hier konnte man sich im Zielbereich von Wasser über Cola bis hin zum Weißbier seine Wunschgetränke einfüllen lassen, was hunderte Papp- und Plastikbecher ersparte. Danke Arberland Ultratrail für diesen schönen Abschluss meiner Wettkampfsaison!